Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
war Handeln angesagt. Rasch sammelte sie die Papiere zusammen und verstaute sie wieder in ihrer Truhe. Nur der fremde Text blieb draußen. Ihn aufzurollen und in die Tasche zu stecken, war eine Sache von wenigen Sekunden. Dann hatte sie auch schon die Tür hinter sich geschlossen. Irgendwo in dieser Stadt musste sich doch ein Sprachenkundiger auftreiben lassen! Das wäre doch gelacht.
Kapitel 41
Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Mit unverhohlener Enttäuschung schaute Mia Ito den Übersetzer an. Der Mann mit dem länglichen Gesicht und dem grauen Bart zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Es tut mir leid.“, sagte er zum wiederholten Male, „Diese Sprache habe ich noch nie gehört beziehungsweise gelesen. Ich denke nicht, dass sie irgendwo im Reich Quandala verwendet wird. Denn die gängigen Sprachen beherrsche ich alle“. In seinen Worten schwang durchaus ein wenig Stolz mit. Mia nickte bedächtig, auch wenn es tief in ihr brodelte. Doch der Mann konnte nichts für ihre Ungeduld. Artig stand sie auf und verneigte sich vor dem Gelehrten. „Ich danke euch dennoch für eure Bemühungen.“
Als sie das Haus des Übersetzers verließ, stieß sie fast mit Ranja zusammen, der geistesabwesend die Straße entlang spazierte. „Vorsichtig, junger Mann!“, rief Mia freudig überrascht aus. Der Beschwörer wirkte leicht verstört. Herausgerissen aus seinen Gedanken, die ihn nicht so ganz im Hier und Jetzt sein ließen. „Oh, hallo Mia“, stotterte er, „Wie geht’s?“ So belanglos und beiläufig diese Frage auch war, Mia stieg gerne darauf ein. Endlich jemand, bei dem sie ihren ganzen Frust abladen konnte – ob er nun scharf drauf war oder nicht. Und so saßen sie kurz darauf in einer kleinen Schenke beim Reiswein und redeten. Das heißt, eigentlich redete vor allem Mia. All das, was sich aufgestaut und angesammelt hatte, fand nun ein Ventil. Locker sprudelten die Worte aus ihr heraus. Ranja hatte Mühe, dem Redeschwall zu folgen. Und wenn er ganz ehrlich war, dann verstand er auch so einiges nicht von dem, was sie da erzählte. Dennoch nickte er freundlich und warf das eine oder andere interessierte „Ja, ja“ oder „Ach, so was!“ in den Monolog ein.
„Und nun muss ich wohl nach Quandala reisen, um dort einen fähigeren Übersetzer zu finden. Kennst du vielleicht einen?“ Der Beschwörer wurde jäh aus seiner Rolle als Zuhörer gerissen. Jetzt musste er etwas antworten. Nach kurzem Grübeln schüttelte er mit dem Kopf: „Nein, mit der Materie habe ich mich bislang wenig auseinandergesetzt. Aber ich denke, wenn es jemanden gibt, der dir helfen kann, dann dort. Vielleicht in der Großen Bibliothek.“ Mia nickte verständig. „Daran hatte ich auch schon gedacht.“, gab sie zurück. Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Dann sollte ich wohl so schnell wie möglich aufbrechen.“ „Wie wär’s, wenn wir zusammen reisen?“, nahm Ranja den Gedanken geistesgegenwärtig auf, „Ich muss auch nach Quandala, um dort mit dem Neuaufbau der Beschwörergilde beginnen zu können. Und in Gesellschaft reist es sich besser und auch sicherer – vor allem in deiner Gesellschaft.“ Dieser Vorschlag gefiel Mia, und so willigte sie erfreut ein.
Bereits zwei Tage später saßen sie auf ihren Pferden und entfernten sich in zügigem Tempo von der Stadt. Huan hatte sich nicht sehr begeistert gezeigt, dass seine beiden Freunde ihn so schnell verließen. Doch er konnte ihre Gründe verstehen. Und er selbst hatte ohnehin noch alle Hände voll zu tun. Da hätte er sich eh nicht um die zwei kümmern können. Dennoch empfanden sie alle ein wenig Traurigkeit über den Abschied und versprachen sich gegenseitig, den Kontakt zu halten. Zugleich richtete Mia den Blick nach vorne. Sie freute sich. Endlich ging es weiter. Und die Zuversicht in ihr brannte auf heller Flamme. Ganz sicher würde man ihr in der Großen Bibliothek helfen können. Die Gelehrten dort galten als die Besten ihres Faches und kannten jede Sprache der Welt. Wenn sie doch nur schon da wäre! Doch zuvor lagen fünf lange Reisetage vor ihnen. Erwartungsgemäß verliefen die ersten drei Tage ihrer Reise ohne weitere Vorkommnisse. Zahllose Menschen tummelten sich auf den Straßen des Reiches. Hier und da ergab sich ein beiläufiges Gespräch. Und schnell bekamen sie mit, dass ihre Heldentaten das Gesprächsthema schlechthin waren. Besonders Ranja fühlte sich geschmeichelt und hätte nur zu gerne jedem, dem sie begegneten, seine
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