Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
nicht wirklich. Und sie wollte sich auch keinen unnötigen Ballast aufhalsen. Schließlich hatte sie nicht die geringste Ahnung, was da noch auf sie zukommen mochte. So ein alter Mann konnte da schnell zum Klotz am Bein werden.
„Wisst ihr“, druckste sie ein wenig herum, „eigentlich dachte ich, dass ihr..“ Erwartungsvoll schaute Doran Zi sie an. Mit seinen großen Augen wirkte er fast wie ein Kind auf sie. So unschuldig-naiv. Ihr Verstand sagte ihr zwar, dass das nicht sein konnte. Händler waren niemals naiv und unschuldig, schon gar nicht, wenn sie Erfolg in ihrem Gewerbe hatten. Da brauchte es immer eine gehörige Portion Gerissenheit. Dennoch musste sie schlucken. „Ich dachte, dass ich alleine reise.“, brachte sie ihren Gedanken jetzt schnell auf den Punkt. Enttäuschung sprach aus den Augen des alten Mannes, zugleich aber auch Verstehen. „Sicher, Kindchen, du willst einem alten Mann keine solche Strapaze zumuten. Aber sei versichert: Ich bin zäh. Reisen ist mein Geschäft. Und ich weiß mehr über deine Familie als jeder andere. Vielleicht kann das im weiteren Verlauf deines Abenteuers noch von Bedeutung sein. Möglicherweise benötigst du irgendwann weitere Informationen, die ich dir geben könnte. Und dann bin ich weit weg. Das wäre doch schade.“ Doran Zis Stimme klang ganz sanft und weich in Mias Ohren. Und das, was er sagte, klang völlig einleuchtend. „Lass uns gemeinsam reiten.“, fuhr der alte Mann fort, „Ich werde dir garantiert keine Last sein. Im Gegenteil, ich helfe, wo ich kann.“
„Also gut!“, kam es Mia jetzt ohne das geringste Zögern über die Lippen, „Wir reiten gemeinsam. Morgen besorgen wir uns die nötige Ausrüstung. Und übermorgen reiten wir los. Mein Erbe wartet auf mich.“ Energisch schlug sie mit der Faust auf den Tisch. Dann reichte sie Doran Zi einen Becher mit Wein und stieß mit ihm an.
Früh am Morgen des übernächsten Tages saßen sie auf ihren Tieren und ritten die Straße in Richtung Osten entlang. Bereits zu dieser frühen Stunde herrschte großer Betrieb. Die Straße gehörte zu den Hauptverkehrsadern in Quandala. Sie verband die Hauptstadt mit der Küste. Zahlreiche Handelskarawanen und –Transporte zogen darauf hin und her. Händler, Glücksritter und so manche zwielichtige Gestalt tummelten sich unterwegs. Dazu die omnipräsenten Adeligen, die mit ihrem Tross in die außen liegenden Residenzen und Lustschlösser reisten. Immer auf der Suche nach einem neuen Kick. Momentan bewegten sich auch mehr Soldaten auf der Handelroute als sonst. Die Bedrohung durch die Piraten entlang der Küste hatte sich mittlerweile auch bis in die Hauptstadt herumgesprochen. Und so hatte der Kaiser angeordnet, die Militärpräsenz deutlich zu verstärken. Für die Bevölkerung ein weiteres klares Zeichen seiner Macht, nachdem er die Verschwörung des Hauses Xi-Yang so glorreich abwehren konnte. Pirapong III. saß fester im Sattel denn je. Sein taktisches Vermögen, verbunden mit einer nicht gerade kleinen Portion an Glück hatte ihn nahezu unantastbar gemacht. Zumindest für eine Weile. Denn in Quandala vergaß man schnell. Und der nächste Möchtegernherrscher lauerte mit Sicherheit schon im Dunkeln auf seine Chance. Aber sei‘s drum, im Moment waren die Menschen recht zufrieden – trotz der drohenden Piratengefahr. Denn sie vertrauten darauf, dass der Kaiser auch das bald in den Griff bekam.
Mia und Doran Zi hatten sich entschieden, zunächst eine Weile gen Osten zu reisen. Da kamen sie zügig voran und brauchten sich um ihr Nachtlager keine Gedanken zu machen. Entlang der Handelsroute wimmelte es nur so von Gasthöfen. Da ließ sich immer ein Bett auftreiben. Erst kurz vor der Küste wollten sie dann in Richtung Süden schwenken. Dieser Teil der Reise würde vermutlich etwas einsamer werden.
Der alte Mann entpuppte sich als angenehmer Reisegefährte. Er redete zwar gerne und viel, konnte dabei aber besonders bildhaft erzählen. Mia gefiel das. Und sie erfuhr mehr und mehr über ihre Eltern und die Zeit, in der sie lebten. Doran Zi schilderte Wuan Ki und Pa Shi Lun in den schillerndsten Farben. Offenbar hatten sie alle guten Eigenschaften in sich vereint, die man sich nur vorstellen konnte. Mia musste immer wieder innerlich mit dem Kopf schütteln. So gut konnte ein Mensch nicht sein. Das sagte ihr ihre Erfahrung. Und selbst wenn es sich um ihre Eltern handelte. Alles, was Doran Zi ihr da erzählte, konnte einfach nicht der Wahrheit
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