Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
sicher nicht erwartet hätte. Ganz am anderen Ende des Raumes in einer Ecke saß Doran Zi alleine an einem Tisch. Als er ihren Blick bemerkte, nickte er freundlich mit dem Kopf und machte eine einladende Geste mit dem Arm. Die junge Frau ließ sich nicht zweimal bitten und ging zu dem Händler herüber. „Was treibt euch denn hierher in dies Lokal?“, fragte sie, nachdem Doran Zi sie begrüßt und ihr einen Platz angeboten hatte. Der alte Mann schaute sie mit seinen eisgrauen Augen eindringlich an. „Nun, wisst ihr…“, druckste er ein wenig herum, „ich habe euch nicht die ganze Wahrheit gesagt.“ Doran Zi atmete tief durch und richtete seinen Oberkörper auf. Zugleich rutschte er unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Ich beobachte euch schon seit langer Zeit.“, begann er dann seine Ausführungen, „Seit sehr langer Zeit. Genau genommen war ich früher ein Freund eures Vaters.“ Die Worte trafen Mia wie eine Faust ins Gesicht. Sie wurde blass und schaute den alten Mann mit weit aufgerissenen Augen an. Wie auf ein Kommando hin sprangen, rannten, ja rasten zahllose Gedanken und Fragen quer durch ihren Kopf. Doch für den Moment brachte sie nicht das geringste Wort heraus. Doran Zi bemerkte Mias Unsicherheit und versuchte ihr ein wenig Zeit zu lassen, um den ersten Schock zu verarbeiten. Doch als sie weiterhin nichts sagte, fuhr er fort: „Wie gesagt, wir waren enge Freunde. Haben viel gemeinsam unternommen und erlebt. Als dann das schreckliche Unglück passierte, war ich zutiefst erschüttert. Zum Glück erfuhr ich schnell, dass du noch am Leben bist. Und da sorgte ich dafür, dass du erst einmal in Sicherheit gebracht wurdest. Seitdem habe ich ein Auge auf dich gehabt. Immer aus der Distanz. Schließlich bist du das einzige, was mir von meinem Freund blieb.“ Eine Träne rollte dem alten Mann aus dem Augenwinkel. Schnell wischte er sie mit seinem Taschentuch weg. Allmählich fing Mia sich wieder. Die Gedanken in ihrem Kopf wurden etwas klarer. Sie war wieder handlungsfähig. „Warum tretet ihr dann jetzt in mein Leben?“ Die Frage kam nicht wirklich überraschend. Und so folgte die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Ich war immer der Meinung, dass du ein Recht auf deine eigene Geschichte haben solltest. Aber bislang war der Tag noch nicht gekommen, an dem ich sie dir erzählen wollte. Vor einer Weile habe ich schon einmal versucht, Kontakt zu dir aufzunehmen. Du wirst dich erinnern.“ Mia verstand die Anspielung. Der geheimnisvolle Brief, der tote Bote im Park. Also nickte sie stumm. „Leider ist etwas dazwischen gekommen und hat alles verzögert. Doch jetzt weiß ich ganz sicher, dass du so weit bist, alles zu erfahren. Du bist wirklich erwachsen geworden. Deshalb bin ich jetzt da.“ Er schaute sie auf eine ernsthaft-väterliche Weise an und fügte dann hinzu: „Aber letztlich entscheidest du, ob du wirklich hören möchtest, was ich zu sagen habe.“
Mia brauchte nicht lange überlegen. Das war es doch, was sie die ganze Zeit über wollte, wonach sie gesucht hatte: Gewissheit, Sicherheit, Klarheit. Dieses ewige Gestochere im Nebel zerrte so sehr an ihren Nerven. Da wären selbst schlechte Nachrichten über ihre Familie noch besser. Also nickte sie heftig. „Ich will alles hören. Sagt mir, wer ich bin und wer meine Eltern waren!“
„Als ich deinen Vater kennenlernte, waren wir junge Männer. Eigentlich noch große Jungs. Wir verstanden uns auf Anhieb hervorragend und verbrachten viel Zeit miteinander. Dann versuchten wir beide im Leben voranzukommen. Er wollte eine politische Karriere einschlagen, mir lag mehr der Weg des Händlers. So unterstützten wir einander, halfen uns gegenseitig und freuten uns über die Erfolge des anderen. Und wir hatten Erfolg. Das darf ich ganz unbescheiden hinzufügen. Bald darauf lernte dein Vater deine Mutter kennen. Die beiden waren wie füreinander geschaffen. Und schon bald schlossen sie den Bund fürs Leben. Ich habe mich aufrichtig für sie gefreut. Deine Mutter tat deinem Vater richtig gut. Alles lief bestens.“ Doran Zi unterbrach seine Ausführungen kurz, als Mias Essen serviert wurde. Bevor er dann den Faden wieder aufnehmen konnte, hakte Mia ein: „Wie war sie? Meine Mutter, meine ich.“ „Pa Shi. Sie war eine tolle Frau. Hübsch und gebildet. Sie wusste genau, was sie wollte. Und das war in erster Linie dein Vater. Sie besaß enorm viel Charme, konnte Menschen betören. Und das nutzte sie auch aus. Am schnellen Aufstieg des
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