EISKALTE UMARMUNG: Poesie der Angst. Thriller
gefesselt und ihren Mund mit einem Knebel verschlossen.
Er musste ihr einen Vorgeschmack auf den Tod geben, indem er einen Spiegel mit einer Kerzenflamme anrußte und ihn ihr vorhielt. Nur so konnte sie beim Sterben ihr Gesicht sehen.
Ganz allmählich tauchte Anna aus einem tiefen, traumschweren Schlaf auf. Ihr Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt, und hinter den Lidern wirbelten seltsame Traumbilder. Sie spürte eine Plastikplane unter ihrem Körper. Der Raum erschien ihr diesmal nicht so dunkel und kalt. Ein merkwürdig verbrannter Geruch lag in der Luft.
„Deine Schwester zu töten war ein besonderes Ereignis. Ich habe es genossen. Dein Tod wird vollkommener und ohne jegliche Störung sein. Du wirst mich danach ein ganzes Leben begleiten“, flüsterte er.
Anna hob die Lider und sah in seinen Augen den Wahnsinn aufflackern. Sein Kopf war gesenkt und die Arme hinter dem Rücken verschränkt, als würde er etwas vor ihr verstecken.
„Sieh mal, Anna. Das werde ich in wenigen Stunden mit dir machen.“
Mit der einen Hand hielt er ihr den Spiegel vors Gesicht, mit der anderen zeigte er ihr einen geöffneten, blutverschmierten Schädel, aus dem eine Hirnhälfte herausquoll. Dann verlor sie das Bewusstsein.
Jakob schaute lächelnd auf sein bewusstloses Opfer und stellte den blutigen Schädel so hin, dass sie ihn beim Aufwachen unmittelbar vor Augen hatte. Ihr Kopf mit dem goldenen Haar wäre ein prachtvolles Geschenk von Daevas für seine Freunde am Amazonas, und bis zur Übergabe würde er mit ihm so pfleglich umgehen wie die Jivaros.
***
Von Corellis ehemaligem Haus war nicht mehr viel übrig geblieben als ein Quadrat aus Schlackenbetonstein. Die Fenster schienen erst im Nachhinein eingebaut worden zu sein und waren unterschiedlich groß. Auf der vorderen Veranda befand sich ein Keramikkamin, neben dem Papier und Zeitschriften aufgestapelt waren. Wahrscheinlich Anzündmaterial, dachte van Cleef.
Er sah sich um. Die meisten Häuser in der Nachbarschaft waren mit Brettern vernagelt; gelbe Plakate wiesen warnend auf ihre Baufälligkeit hin.
Ein fauliger Geruch lag über der Gegend. Wenn sogar Grünwald versifft, ist Deutschland endgültig am Boden, dachte er. Auf dem Weg zum Haus atmete er ein paarmal tief ein, um sich an den Geruch zu gewöhnen. Vor der Tür befand sich ein Schutz aus dichtem Drahtgeflecht, der mit einem Vorhängeschloss gesichert war; die Tür selbst hatte drei Riegel und ein Schloss.
Er trat an das Wohnzimmerfenster, es war ebenfalls mit einem Drahtgeflecht und einem schweren Schloss ausgestattet; das Fensterfutter war mürbe und alt. Mit ein paar festen Stößen hatte er den gesamten Rahmen ausgehebelt.
Das Wohnzimmer war dunkel und schmuddelig. Überall lagen Papier und Müll verstreut. An einer blauen Couch schien eine dunkle Substanz hinuntergetropft zu sein. Van Cleef konnte nicht erkennen, ob es Körperflüssigkeit oder Kaffee war. Was er jedoch deutlich registrierte, war der geradezu betäubende Gestank von Formaldehyd und Verwesung und die merkwürdigen Zeichen auf dem Fußboden.
An den Wänden umsäumten ähnliche Zeichen die Fotografien junger Frauen. Die Frauen auf den Aufnahmen sahen aus, als seien sie in ihrer vertrauten Umgebung fotografiert worden. Die Wandregale waren mit Gläsern unterschiedlicher Größen bestückt, in denen in Formaldehyd konservierte skelettierte Hände oder Fingerknochen lagen.
Van Cleef griff nach seiner Waffe und löste den Riemen des Holsters, als er in den vorderen Bereich des Hauses ging, um sich zu überzeugen, dass niemand die Auffahrt heraufkam.
In der Küche waren Teller im Spülstein gestapelt, verkrustet und unappetitlich. Der Fußboden war klebrig, und der gesamte Raum kam ihm feucht vor. Ein seltsamer Moschusgeruch legte sich wie ein feuchtes Tuch über ihn.
Er zog sich die Latexhandschuhe über und ging ins Schlafzimmer. Als er den Wandschrank öffnete, sah er, dass er mit Aufnahmen der Mordopfer vollgestopft war.
Er öffnete die Kommode, in der er weitere Aufnahmen zu finden glaubte. Stattdessen war die oberste Schublade mit Zeitungen ausgelegt. Sie enthielten Artikel über eine junge Frau, die in ihrem Haus auf bestialische Weise umgebracht worden war: Katharina.
Das Foto der Toten rief statt Übelkeit Erschöpfung in ihm hervor. Er hatte bereits zu viele derartige Aufnahmen gesehen und rieb seine Augen im vergeblichen Versuch, das Wahrgenommene zu verdrängen. Auch in anderen Schubladen stieß er auf Fotografien junger
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