Eiskaltes Herz
rollte mit den Augen und blies sich die Haare aus dem Gesicht. Ihre Haarspange, ein mit kitschiger Seidenrose besetztes Teil, hatte sich gelöst, aber Sarah hatte keine Hand frei, um sie wieder festzuklemmen.
Ich nickte nur schwach. Wenigstens hatte sie noch ihren Freund.
»Geht es dir gut?«, fragte sie mitfühlend. »Du siehst so fertig aus. Ist es wegen …« Sie senkte die Stimme, als ob sie von einem Toten redete. »Leander?«
Ich hatte Sarah noch nie sonderlich gemocht, aber ich war froh, dass ich jemandem mein Leid klagen konnte. »Es tut so verdammt weh«, sagte ich. »Wenn man so Knall auf Fall ersetzt wird. So ohne Grund.«
»Schrecklich.« Sarah schüttelte sich unbehaglich. »Aber es ist halt Nessa …«
Es regte mich total auf, wie sie das sagte. Als ob Vanessa eine Art Naturgewalt war, gegen die man nichts ausrichten konnte!
Sarah hatte wohl meinen Blick richtig interpretiert, denn sie fügte hastig hinzu: »Ich meine – sie ist Tänzerin. Und Musikerin. Und könnte Model sein und will Ärztin ohne Grenzen werden und so.« Sie zog hilflos die Schultern hoch . Was sie eigentlich meinte, war : Und du nicht. Du bist nur ein 08/15-Mädchen, was wunderst du dich denn da?
»Dann viel Spaß bei der Party heute.« Ich musste weg von ihrem blöden Gequatsche. Von dieser albernenRose, von der Tupperdose in ihrer Hand. Wieso hatte Vanessa sich nicht Moritz geschnappt? Sarah hätte es wahrscheinlich nicht mal gemerkt …
»Kommst du auch?«
»Nein. Ich komme nicht«, erklärte ich geduldig. »Die Party ist bei Vanessa, schon vergessen?«
»Ach so, ja. Aber zur Walpurgisnacht kommst du doch nächste Woche, oder? Oben an den Felsen? Die machen Lagerfeuer und so was.«
»Mal sehen.« Ich zwang mich zu einer freundlichen Miene. Sarah konnte ja nichts dafür. »Aber nur, wenn die Hexe Vanessa nicht kommt. Sonst landet sie noch aus Versehen im Feuer.« Ich verzog meinen Mund zu einem ironischen Lächeln, aber Sarah zuckte nicht mal mit dem Mundwinkel. Sie sah mich entsetzt an.
»War ein Witz.« Ich winkte ab. Sarah ging offenbar zum Lachen in den Keller.
Ich lief die Straße wieder zurück, jetzt musste ich wohl oder übel noch mal an Leanders Haus vorbei. Dort hielt gerade ein silberner Audi, Vanessa stieg auf der Fahrerseite aus, ihr Vater auf der anderen. Begleitetes Fahren in Papis Auto? Ich huschte instinktiv hinter einen Forsythienbusch. Um nichts in der Welt wollte ich jetzt dort vorbeilaufen.
Sie lachten über irgendetwas, ihr Vater setzte sich jetzt hinters Steuer, Vanessa rief: »Tschüssi, Dad« und lief flink die Treppe zu Leanders Haustür hoch, wo dieser schon ungeduldig wartete. Die beiden fielen sich um den Hals, während sich die kratzigenZweige des Busches wie tausend kleine Messer in mich bohrten. Der Audi fuhr weg, Vanessa trat ins Haus und ich kroch aus meinem Versteck hervor. Und plötzlich, als ich schon wieder ungeschützt auf der Straße stand, drehte sie sich noch einmal in der Tür um.
Und grinste mich an.
7
April
»Sie haben sich gestritten, wenn ich es dir doch sage!« Tines Stimme schnappte bald über vor Freude. Sie klang in meinen Ohren wie herrlichste Musik.
»Wirklich?« Meine Hand zerquetschte bald das Handy an meinem Ohr vor Aufregung.
»Ja. Den ganzen Abend lang. Also, fast den ganzen Abend lang. Im Haus noch nicht. Du, die haben ein Hammer-Haus, das glaubst du nicht. Mindestens zwanzig Zimmer und dann so einen Raum unten mit Billardtisch und Bar und so.«
»Ja, ja, toll«, unterbrach ich sie ungeduldig. »Und was ist jetzt mit dem Streit?«
»Das will ich doch gerade erzählen. Also erst waren wir alle im Game-Room, so nennt die das, da war noch alles okay. Und dann sind wir raus in den Garten, die haben da so eine Feuerstelle und einen Pool haben sie auch, hab ich das schon erwähnt?«
»Der Streit.« Konnte Tine sich vielleicht mal von der Erinnerung an Vanessas Protzbude losreißen?
»Bei der Feuerstelle im Garten ging es dann los«, fuhr sie fort. »Nessa war kurz weg, und als sie wiederkam,hat sie so gegrinst und mit ihm, also Leander, getuschelt, und da hat er ein total saures Gesicht gezogen. Und dann ging es dauernd hin und her. Er hat immer gesagt: ›Hör doch mal auf mit dem Scheiß‹ und sie hat gelacht, aber irgendwann hat es ihr gereicht und sie hat ihn angeschrien.«
»Was hat sie geschrien?«, fragte ich drängend.
Tine druckste herum. »Na ja.« Sie räusperte sich. »Es hatte mit dir zu tun.«
»Sie haben sich wegen mir gestritten?«
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