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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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ferngesteuert auf und ließ mich von ihm zum Feuer ziehen, seine warme Hand in meiner. Zwei Typen tanzten jetzt besoffen mit der Strohpuppe und der Henker hüpfte wie irre zwischen den Leuten herum. »Hexen tanzen mit dem Teufel«, schrie er. »Und Verliebte springen übers Feuer!«
    Ich sah hoch. Hatte Leander das gehört? Er ließ sich nichts anmerken, drückte nur meine Hand. »Okay?«, fragte er. Ich nickte. Das große Feuer warf gespenstische Schatten, das kleine glühte scheinbar harmlos vor sich hin. Wenn ich ausrutschte oder zukurz sprang, würde ich mit meinen dünnen Gladiator-Sandalen genau in der Glut landen. Kurz stieg Panik in mir auf, dann war es zu spät. Leander rannte los, ich rannte mit, wir nahmen Anlauf, sprangen einen halben Meter vor der Glut beide gleichzeitig in die Luft, rissen die Beine nach vorn und landeten sicher auf der anderen Seite, wo wir strauchelten, lachten, uns aneinander festhielten.
    »Oh, Mann«, schnaufte ich erleichtert. Ich ließ ihn immer noch nicht los, und dann tat ich das, was einfach die logische Konsequenz war. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, zog seinen Kopf runter, sein Gesicht zu mir heran, suchte seine Lippen mit meinem Mund und schloss die Augen.
    Leander versteifte sich. Zuckte mit dem Kopf zurück und schob mich weg. »Lena, nicht.«
    Ich öffnete meine Augen. Er wich meinem Blick aus.
    »Wieso?«, fragte ich.
    »Weil ich mit Nessa zusammen bin, das habe ich dir doch gesagt.«
    »Ich dachte …« Sekundenlang hatte ich das Gefühl, in einen Abgrund zu fallen.
    Er seufzte. »Ich fände es einfach gut, wenn wir wieder Freunde wären, und ich hab wirklich gedacht, das hast du heute Abend kapiert.«
    Ich raste immer noch den Abgrund hinunter.
    »Hallo Lena«, sagte eine Stimme hinter mir.
    Vanessa. Ich fuhr herum. Ihre Augen funkelten spöttisch, ihre dunklen Haare glänzten im Scheindes großen Feuers und an ihren Ohren baumelten Silberblätter mit kleinen Federn darauf. Mit ein paar Schritten war sie bei Leander und legte ihm den Arm um die Hüfte. Leander zwinkerte unsicher und in diesem Moment verstand ich alles.
    Er hatte nur mal wieder erleben wollen, wie das mit mir war. Der alten Zeiten wegen. Weil Vanessa gerade irgendwo herumtollte. Nie im Leben würde er eine Trophäe wie sie aufgeben, selbst wenn sie sich mit zwanzig fremden Jungs am Waldrand rumdrückte. Ein Ziehen begann tief in meinem Bauch, ich wollte mich irgendwo festhalten, aber da war nichts um mich herum. Nichts, außer Vanessas scheinheiligem Blick und Leanders betretener Miene. Wie ein alter, treuer Hund stand er neben ihr.
    »Du machst dich total lächerlich«, sagte ich leise zu ihm. »Wach auf!«
    »Wer sich lächerlich macht, das bist ja wohl du«, erwiderte er genauso leise.
    Eine Stichflamme schoss in dem großen Feuer hoch und Hitze wehte zu uns herüber. Sie hatten dort die Strohpuppe ins Feuer geschmissen, wo sie sich kurz aufbäumte und dann zusammensackte.
    Ich wich erschrocken zurück.
    »Pass auf, dass du dich nicht verbrennst«, sagte Vanessa.
    Der Henker stand neben dem Feuer, johlte begeistert und starrte aus den Löchern in seiner Kapuze geradewegs zu mir. »Eine Hexe ist schon tot«, schrie er triumphierend.

9
April
    Ich fing einfach an zu rennen. Sah mich nicht um. Wo sollte ich jetzt hin? Zurück zum Feuer, zu den anderen, als wäre nichts geschehen? Auf keinen Fall. Einer der Teufel vom Spielmannstrupp vorhin torkelte mir in den Weg.
    »Met?«, krächzte er und hielt eine Flasche hoch.
    Ich nahm sie ihm aus der Hand, trank einen großen Schluck und dann gleich noch einen. Von wegen Met. Das war Wodka mit irgendwas Süßem.
    »Prost!« Seine rote Kappe mit den kleinen Hörnern hing schief, er hatte ein Puddinggesicht und seine Zahnspange blitzte auf, als er rief: »Wir saufen den Met, bis keiner mehr steht«. Normalerweise hätte ich so einen Typen nicht mit der Kneifzange angefasst, aber heute war ja auch kein normaler Tag.
    »Worauf trinken wir denn?«, fragte er und versuchte, seinen Arm um mich zu legen.
    »Darauf, dass Vanessa Klinger sich heute Nacht zum Teufel schert«, antwortete ich sofort.
    »Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Ich bin ja der Teufel!« Er lachte mit hoher Stimme. Dannbeugte er sich vertraulich zu mir. »Mich will die aber nicht. Die eingebildete Ziege.«
    Das wunderte mich allerdings überhaupt nicht.
    »Wir könnten uns zusammentun, du und ich«, machte er weiter, seinen Mund mit den dicken Lippen so nahe an meinem Ohr, dass mich ein

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