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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Fluss.
    Dann sieht er mich an. »So. Und jetzt zu dir.«
    Sein Handy klingelt in dem Moment, als etwas Warmes meine Beine runterläuft. Ich schäme mich, es ist wahnsinnig eklig und peinlich, aber ich musste schon den ganzen Tag und habe wirklich panische Angst.
    »Was?« Er kneift die Augen zusammen, presst gestresst zwei Finger an die Stirn. »Shit. Fuck! Verdammt noch mal!«
    Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und weine, aber er meint gar nicht mich, er brüllt in sein Handy.
    »Wie konnte das passieren? Er hat was? Du verdammter Idiot und das hast du nicht gemerkt? Scheiße. Scheiße, verdammt noch mal!« Er wird immer lauter, sein Gesicht ist puterrot, eine Ader tritt am Hals hervor. Der Geruch nach Urin breitet sich aus, jetzt merkt er es auch. »Verdammte Sauerei!«, brüllt er und wirft mir einen wütenden Blick zu.
    Ich heule jetzt laut, schluchze und japse nach Luft, die Angst breitet sich in jeder Pore aus, ich willnur hier weg. Ich rüttele an der Tür, da startet er wieder den Motor und fährt los. »Wir kommen zu dir«, brüllt er ins Handy.
    Wir wenden und rasen zurück in die Stadt. Es kommt mir vor wie eine Gnadenfrist, auch wenn ich keine Ahnung habe, was los ist, und er es offenbar auch nicht für nötig hält, mir etwas zu erklären. Er murmelt und flucht und schimpft vor sich hin, beleidigt andere Autofahrer, die zu langsam fahren, und drängt sich an einer Ampel in letzter Sekunde vor einen weißen Mercedes. Etwas knirscht und ratscht und klirrt, der andere Fahrer hupt wie verrückt, aber wir zischen trotz Rot an ihm vorbei.
    Der Skarabäus lacht wie ein Irrer, er zieht das Handy heraus, das schon wieder vibriert, und bellt ein »Was?« hinein. Er lauscht entnervt, während er kaum auf die Straße sieht, wenn er die Spur wechselt, flucht und faucht, dass sich Speichelbläschen an seiner Lippe bilden, und dann kurzerhand in eine Nebenstraße einbiegt. Zu wem fahren wir? Was ist passiert?
    Und dann höre ich es. Erst leise, dann immer lauter. Das Jaulen einer Sirene. Der Skarabäus guckt ungläubig in den Rückspiegel. Ein Auto folgt uns, es ist der weiße Mercedes von der Ampel eben, nur, dass er jetzt ein Blaulicht oben auf dem Dach hat.
    Ich lache hysterisch los, der Skarabäus lässt sein Handy fallen und gibt Gas, und als wir direkt auf eine Kreuzung mit dichtem Verkehr zurasen, schließe ich nur noch die Augen.

27
Juli
    Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht und ich sollte meine Sonnenbrille aufsetzen, aber ich will Leander richtig sehen. Er sitzt mir gegenüber an einem kleinen Tisch auf der Terrasse des Cafés Bienenstich.
    »Wir zwei, was?«, sagt er gerade und streichelt sacht mit dem Finger über meinen Arm, der immer noch von Schnitten übersät ist. Sie verheilen langsam, sie waren zum Glück nicht tief. Und nur auf meinen Armen, die ich instinktiv hochgerissen und vor mein Gesicht gehalten habe, als der Skarabäus es nicht mehr schaffte, einem von links kommenden Auto auf der Kreuzung auszuweichen. Ich erinnere mich nur daran, dass es laut knallte und dunkel wurde, und als ich die Augen aufmachte, war die Scheibe vor mir weg und alles um mich herum rot. Das war mein eigenes Blut, das mir übers Gesicht rann. Aber ich hatte mich angeschnallt, er nicht, weshalb ich auch noch im Auto saß und er draußen auf der Straße lag.
    Er lebt, das ist alles, was ich weiß, es ist ja nun nicht so, dass ich ihn im Krankenhaus besuchenwill. Er hat mir ausrichten lassen, dass er mir nie ernsthaft etwas tun wollte. Na gut. Das würde ich in seiner Situation sicher auch behaupten. Der Rest ist Sache der Polizei.
    »Wenn ich mir vorstelle, was dieses Schwein mit dir gemacht hat …« Leander schüttelt fassungslos den Kopf. »Und ich konnte dir nicht helfen.«
    »Du konntest doch nichts dafür«, erinnere ich ihn.
    »Wenn der Typ mir nicht geholfen hätte, dann …« Er bricht ab und zu meiner Bestürzung treten ihm Tränen in die Augen.
    »Hey. Es ist vorbei. Die Sonne scheint. Wir sitzen hier zusammen mit zig anderen glücklichen Leuten, die den Sommer genießen. Lass uns nach vorn sehen, nicht zurück. Es bringt nichts.«
    Damit meine ich nicht nur den Unfall oder die schreckliche Zeit in der Wohnung in der Hagedornstraße. Damit meine ich vor allem auch Vanessa. Ich glaube, Leander steht immer noch unter Schock. Er hat mir erzählt, wie Wollmütze und Albino angefangen haben, sich in der Wohnung zu streiten. Leander war sich nicht sicher, aber es ging wohl um ihn. Der Albino wollte ihn

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