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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Ausrüstung erklärt hatte, hatte er versichert, daß die Gasmischung im Behälter eine beträchtliche Tauchtiefe zuließ und es dabei lediglich ›zu einer angemessenen Gefahr‹ für die Atmung und den Kreislauf kam. Die eigentümliche Wortwahl des Leutnants hatte nicht besonders zu Harrys Beruhigung beigetragen. Doch der Gedanke an achtundfünfzig starke Plastiksprengstoffladungen war Ansporn genug, um vollstes Vertrauen in die russischen Tauchgeräte zu setzen.
    Die Anzüge unterschieden sich auch in anderer, nicht so wichtiger Hinsicht von einer normalen Taucherausrüstung. Die Hosen verfügten — genau wie Strampelanzüge für Kleinkinder — über Fußteile, und die Ärmel der Jacke endeten in Handschuhen. Die Kappe bedeckte alle Teile des Kopfs und Gesichts, die nicht von der übergroßen Maske geschützt wurden, als führte es zum sofortigen, äußerst gewaltsamen Tod, wenn auch nur ein Zentimeter Haut unbedeckt blieb. Die Taucheranzüge kamen einem fast wie abgespeckte Versionen der weiten, unhandlichen Druckanzüge vor, die Astronauten im All trugen.
    George Lin hatte die Höhle betreten, während sie die Aluminiumkästen auspackten. Er betrachtete die Ausrüstungen mit unverhohlenem Argwohn. »Harry, es muß doch irgendeine andere Möglichkeit geben. Es muß einfach ...«
    »Nein«, sagte Harry ohne seine übliche Diplomatie und Geduld. »Das ist die einzige. Das oder nichts. Wir haben keine Zeit für weitere Diskussionen, George. Halt einfach die Klappe und zieh dich um.«
    Lin schaute verdrossen drein.
    Aber er sah nicht wie ein Mörder aus.
    Harry sah zu den anderen hinüber, die ebenfalls Kästen auspackten. Keiner von ihnen sah wie ein Mörder aus, und doch hatte einer von ihnen Brian niedergeschlagen und würde ihnen, aus welchem Grund auch immer, vielleicht jede Menge Ärger bereiten, sobald sie erst unter Wasser waren und sich durch den langen Tunnel im Eis bewegten.
    Pete Johnson, der die Nachhut bildete, wand sich mühsam durch den Gang, der von der Spalte in die Höhle führte, und verfluchte das Eis, das ihn umgab. Er hatte größere Schwierigkeiten als die anderen. Seine breiten Schultern machten ihm besonders zu schaffen, als er sich durch den schmalsten Teil des Schachts zwängte.
    »Ziehen wir uns an«, sagte Harry. Als seine Stimme durch das kuppelförmige Amphitheater im Eis hallte, klang sie seltsam hohl. »Wir dürfen keine Zeit verschwenden.«
    Sie stiegen mit einer Hast aus ihrer arktischen Kleidung und in die Tauchanzüge, die aus akutem Unbehagen und Verzweiflung geboren war. Harry, Franz und Roger bezahlten für ihren knietiefen Vorstoß in den Teich bereits mit Schmerzen: Ihre Füße waren halbwegs taub gewesen, was kein gutes Zeichen war, aber der Schock hatte ihnen kurzzeitig zu viel Gefühl zurückgegeben, und nun prickelte, schmerzte, brannte ihre Haut von den Waden bis zu den Knien. Den anderen blieb dieses zusätzliche Leiden erspart, doch sie fluchten und beschwerten sich während ihrer kurzen Nacktheit bitterlich. In der Höhle ging zwar kein Wind, doch die Lufttemperatur lag bei vielleicht dreißig Grad unter dem Gefrierpunkt. Daher wechselten sie die Ober- und Unterbekleidung nacheinander, um der mörderischen Kälte nicht völlig ungeschützt ausgesetzt zu sein: die äußeren Stiefel, Filzstiefel, Socken, Hosen und die lange Unterwäsche wurden zuerst ausgezogen und schnell durch die hautengen, isolierten Hosen des Taucheranzugs ersetzt; dann zogen sie die Jacken, Westen, Pullis, Hemden und Unterhemden aus und schlüpften in die gefütterten Gummijacken mit den enganliegenden Kapuzen.
    Scham war genauso tödlich wie Trödelei. Als Harry aufschaute, nachdem er die Beine in die Hosen des Taucheranzugs gezwängt hatte, sah er Ritas nackte Brüste, während sie sich in die Taucherjacke kämpfte. Ihre Haut war blauweiß und völlig verfroren. Dann schloß sie den Reißverschluß der Jacke, bemerkte, daß Harry sie anschaute, und blinzelte ihm zu.
    Er staunte über dieses Blinzeln. Er konnte nur vermuten, wie sehr die Furcht sie nun quälte. Sie befand sich nicht mehr nur auf dem Eis. Sie war jetzt im Eis. Wurde davon umschlossen. Sie mußte von nacktem Entsetzen gepeinigt sein. Bevor sie den Tunnel zum U-Boot und in die Sicherheit hinabgeglitten waren — falls sie den Abstieg überhaupt lebendig überstanden —, würde sie zweifellos den Tod ihrer Eltern mehr als einmal erneut durchleben und sich an jede schreckliche Einzelheit der schweren Prüfung erinnern, die sie

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