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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gesunde Furcht davor, dreißig Meter unter dem Eis, in der arktischen Wildnis, in einem extrem engen Raum eingeschlossen zu werden, während er von achtundfünfzig gewaltigen Sprengladungen umgeben war, die schnell ihrer Zündung entgegentickten.
    Dennoch schob und zwängte und krümmte er sich auf Ellbogen und Knien vorwärts. Als er acht oder zehn Meter zurückgelegt hatte, stellte er fest, daß der Durchgang in einen großen, offenen Raum führte, in eine Höhle im Herzen des Eises. Er richtete die Taschenlampe nach rechts und links, konnte sich von seiner Position aus aber keinen Eindruck von der wahren Größe der Grotte verschaffen. Er glitt aus dem Gang, stand auf und zog die weite Taschenlampe aus dem Gürtel.
    Er befand sich in einer runden Kammer von dreißig Metern Durchmesser, aus der Dutzende von Rissen, Sackgassen und weiteren Durchgängen führten. Anscheinend war die Decke entstanden, als eine beträchtliche Menge an heißem Wasser und Dampf nach oben geschossen war: eine fast perfekte Kuppel, zu glatt, um von irgend etwas anderem als einem höchst außergewöhnlichen Phänomen gebildet worden zu sein, etwa einem launenhaften Vulkanausbruch. Dieses Gewölbe, das lediglich ein paar kleine Stalaktiten und feine Risse aufwies, war an der höchsten Stelle achtzehn Meter hoch und brachte es an den Wänden immerhin noch auf neun Meter. Der Boden fiel in sieben fortschreitenden Stufen, die von einem halben bis zu einem Meter hoch waren, zur Mitte des Raums ab, so daß der Eindruck eines Amphitheaters entstand. An der tiefsten Stelle der Höhle, wo die Bühne gewesen wäre, befand sich ein zwölf Meter durchmessender Teich aus heftig bewegtem Seewasser.
    Der Tunnel.
    Dutzende von Metern unter ihm öffnete dieser breite Tunnel sich in einen Hohlraum in der Unterseite des Eisbergs, in die lichtlose Welt des dunklen Polarmeers, in dem die Ilja Pogodin auf sie wartete.
    Harry war von dem dunklen Teich so — fast schon hypnotisch — fasziniert, wie er es auch von einem Tor zwischen dieser Dimension und der nächsten gewesen wäre, oder von einer Tür in der Rückseite eines alten Kleiderschranks, die in das Zauberland Narnia führte, oder von einem Wirbelsturm, der ein Kind und einen Hund nach Oz bringen konnte.
    »Der Teufel soll mich holen.« Seine Stimme hallte von der Kuppel zu ihm zurück.
    Plötzlich gab ihm die Hoffnung neue Kraft.
    In seinem Hinterstübchen hatte er einige Zweifel an der Existenz des Tunnels gehegt. Er hatte befürchtet, daß das Oberflächen-Echolot der Pogodin nicht richtig funktionierte. Wie lange konnte in diesem kalten Meer ein langer Tunnel, der durch festes Eis führte, geöffnet bleiben? Warum war er nicht wieder zugefroren und hatte sich geschlossen? Er hatte die anderen nicht gefragt, ob sie eine Erklärung dafür hatten. Er hatte ihnen keine Sorgen bereiten wollen. Wenn sie Hoffnung geschöpft hatten, würden sie die letzte Stunde ihres Lebens leichter überstehen. Dennoch war diese Frage für ihn ein unlösbares Rätsel gewesen.
    Jetzt hatte er die Antwort auf dieses Rätsel gefunden. Das Wasser innerhalb des Tunnels wurde weiterhin von einer gewaltigen Strömung tief unten im Meer bewegt. Es floß nicht ruhig oder stand gar still. Es schwappte hoch und fiel kräftig zurück, brandete in der Höhle bis zu zwei, zweieinhalb Metern auf, wühlte und spritzte, bis es dann schnell bis auf eine Höhe mit dem Rand des Lochs zurückfloß. Es schwoll an und fiel zurück, schwoll an und fiel zurück ... Die ständige Bewegung verhinderte, daß die Öffnung wieder zufror, und wirkte auch der Bildung von Eis im Tunnel selbst entgegen.
    Im Lauf eines längeren Zeitraums — von vielleicht zwei oder drei Tagen — würde der Tunnel wahrscheinlich ständig schmaler werden. Allmählich würde sich trotz der starken Strömung neues Eis an den Wänden bilden, bis der Durchgang unpassierbar wurde und sich schließlich ganz schloß.
    Doch sie brauchten den Tunnel nicht in zwei oder drei Tagen. Sie brauchten ihn jetzt.
    Die Natur hatte in den vergangenen zwölf Stunden standhaft gegen sie gearbeitet. Vielleicht arbeitete sie nun für sie und war bereit, ihnen ein wenig Gnade zu erweisen.
    Überleben.
    Paris. Das Hotel George V.
    Moet & Chandon.
    Der Crazy Horse Saloon.
    Rita...
    Ein Entrinnen war möglich. Ein sehr knappes.
    Harry befestigte eine der Taschenlampen an seinem Gürtel. Die andere behielt er in der Hand, während er sich durch die enge Passage zwischen der kuppelförmigen Höhle und

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