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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Abgrund aufgerissen.
    Viereinhalb Meter ...
    Die Skier klapperten. Etwas schlug gegen das Fahrgestell. Die Schneedecke war dünn. Eis bot nur eine schlechte Bodenhaftung. Schnee bauschte sich wie Rauchwolken auf den Skiern und der Raupenkette aus Polyurethan auf.
    Drei Meter ...
    Der Schlitten rollte glatt aus und schaukelte fast unmerklich auf seiner Aufhängung. Harry war der Spalte so nah, daß er den Rand des Eises hinter der abgeschrägten Vorderseite des Fahrzeugs nicht mehr sehen konnte. Die Spitzen der Skier mußten jenseits des Rands in die leere Luft ragen. Noch ein paar Zentimeter weiter, und er hätte wie auf einer Wippe balanciert und zwischen Tod und Überleben geschaukelt.
    Er legte den Rückwärtsgang ein und setzte einen oder anderthalb Meter zurück, bis er den Abgrund sehen konnte.
    Er fragte sich, ob man ihn von Rechts wegen für verrückt erklären konnte, weil er unbedingt in dieser tödlichen Einöde hatte arbeiten wollen.
    Zitternd — wenn auch nicht vor Kälte — zog er die Schneebrille von der Stirn herab, rückte sie über den Augen zurecht, öffnete die Kabinentür und stieg aus. Der Wind hatte die Kraft eines Schlags mit einem Schmiedehammer, doch er störte sich nicht daran. Die Kälte, die ihn durchfuhr, war ein Beweis dafür, daß er noch lebte.
    Die Scheinwerfer enthüllten, daß die Spalte in der Mitte nur etwa vier Meter breit war und an beiden Enden drastisch schmaler wurde. Sie war kaum fünf Meter lang, also nicht besonders groß. Aber sie hätte ihn auf jeden Fall verschlingen können. Als er in die Dunkelheit unter den Scheinwerferstrahlen schaute, argwöhnte er, daß die Tiefe des Abgrunds Dutzende von Metern betrug.
    Er erschauderte und wandte ihm den Rücken zu. Unter der Vielzahl seiner Kleidungsschichten spürte er, wie Schweißtropfen, das reine Destillat der Furcht, seine Rückensenke hinabtropften.
    Sechs Meter hinter seinem Schlitten hielt das zweite Schneemobil mit laufendem Motor und grell leuchtenden Scheinwerfern an. Pete Johnson zwängte sich durch die Kabinentür hinaus.
    Harry winkte und ging auf ihn zu.
    Das Eis knirschte.
    Überrascht blieb Harry stehen.
    Das Eis bewegte sich.
    Einen Augenblick lang glaubte er, eine weitere seismische Welle glitte unter ihnen hinweg. Doch sie trieben nun und würden von einem Tsunami nicht mehr auf die Art und Weise beeinträchtigt werden, wie es der Fall gewesen war, als sie sich auf der festen Eishülle befunden hatten. Der Eisberg würde nur schlingern wie ein Schiff in rauher See und die Turbulenzen ohne Schäden überstehen; er würde auf keinen Fall ächzen, knacken, sich heben und senken und zittern.
    Es handelte sich um eine örtliche Störung — das hieß, sie fand genau unter seinen Füßen statt. Plötzlich öffnete sich das Eis vor ihm in einer Zickzacklinie. Die Spalte war zuerst gerade mal drei Zentimeter breit, wurde aber immer breiter, war nun so breit wie seine Hand, dann noch breiter. Er stand mit dem Rücken zum Abgrund, und die arg gerissene Wand der neu gebildeten Spalte löste sich unter ihm auf.
    Er taumelte, warf sich vor, sprang über den zerklüfteten Riß und wurde sich noch während des Sprungs bewußt, daß er noch breiter geworden war. Er stürzte auf der anderen Seite zu Boden und rollte sich von diesem trügerischen Stück Eis weg.
    Hinter ihm kalbte die Wand der Spalte dicke Platten, die in die Tiefe stürzten und unter ihm donnernd aufschlugen. Die Ebene erzitterte.
    Harry richtete sich auf die Knie auf. Er wußte noch nicht genau, ob er schon in Sicherheit war. Verdammt, nein. Der Rand des Abgrunds löste sich weiterhin auf und stürzte hinab, die Spalte wurde immer breiter, und er taumelte hektisch von ihr fort.
    Keuchend schaute er gerade noch rechtzeitig zurück, um mitzubekommen, wie sein Schneemobil mit brummendem Motor in die Kluft stürzte. Es prallte gegen die gegenüberliegende Wand der Spalte und wurde einen Augenblick lang von einem lastwagengroßen Eisbrocken dort festgenagelt. Der Treibstoff in den Haupt- und Hilfstanks explodierte. Flammen schlugen in den Wind hoch, senkten sich aber schnell wieder, als das brennende Wrack in die Tiefe stürzte. Um ihn und unter ihm leuchteten kurz rote und orangefarbene Phantome in dem milchigen Eis. Dann erlosch das Feuer, und die Dunkelheit übernahm wieder die Herrschaft.

13:07 - Kryophobie. Die Furcht vor Eis.
     
    Die Umstände machten es Rita Carpenter viel schwerer als üblich, dieses beharrliche, sie schwächende Entsetzen zu

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