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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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erfrieren.«

13:05
     
     Harry Carpenter lehnte sich gegen die Lenkstange und blinzelte durch das gebogene Plexiglas in die weiße Landschaft. Harte Schneegischt und Eisnadeln fielen schräg durch das Licht der Scheinwerfer. Der Scheibenwischer bewegte sich monoton, war zwar mit Eis verkrustet, konnte seine Aufgabe aber noch einigermaßen erfüllen. Die Sichtweite war auf zehn oder zwölf Meter zurückgegangen.
     
    Obwohl das Fahrzeug einwandfrei reagierte und einen kurzen Bremsweg hatte, fuhr Harry nur mit gedrosselter Geschwindigkeit. Er hatte Angst davor, einfach über eine Klippe zu fahren; schließlich konnte er ja nicht wissen, wo der Eisberg aufhörte.
    Die einzigen Fahrzeuge, die die Edgeway-Expedition benutzte, waren nach Kundenangaben umgebaute Schneemobile mit umlaufenden Verbrennungsmaschinen und eigens angefertigten Aufhängungen mit Drehgelenken, an denen die Skier befestigt waren. Jedes Fahrzeug konnte auf seiner knapp einen Meter großen, gepolsterten Bank zwei Erwachsene in sperriger Thermalkleidung befördern. Fahrer und Beifahrer saßen dabei hintereinander.
    Natürlich waren die Fahrzeuge noch zusätzlich an den Betrieb im rauhen Polarwinter angepaßt worden, in dem dramatisch ernstere Bedingungen herrschten, als Schneemobil-Fans sie in Wintersportgebieten gewohnt waren. Abgesehen von dem dualen Anlasser und den beiden besonders abgeschirmten Polarbatterien bestand die bedeutendste Veränderung in der Hinzufügung einer Kabine, die sich von der Motorhaube bis zum Ende der verlängerten Sitzbank erstreckte. Diese Umhüllung bestand aus vernieteten Aluminiumplatten und dickem Plexiglas. Eine leistungsfähige kleine Heizung war über dem Motor angebracht, und zwei kleine Ventilatoren leiteten die warme Luft zum Fahrer und Beifahrer weiter.
    Die Heizung mochte ein Luxus sein, aber die geschlossene Kabine war eine absolute Notwendigkeit. Ohne sie hätte das ständige Trommeln des Windes jeden Fahrer bis auf die Knochen durchfrieren lassen und ihn auf einer Fahrt von mehr als sechs oder sieben Kilometern getötet.
    Einige Schlitten waren zusätzlich nach genauen Anweisungen umgebaut worden. Dazu gehörte auch Harrys Fahrzeug, denn er beförderte damit den elektrischen Bohrer. Die meisten Werkzeuge wurden in dem flachen Gepäckfach transportiert, das unter der hochklappbaren Oberfläche des Passagiersitzes verborgen war, oder in dem kleinen, offenen Anhänger, den das Schneemobil zog. Aber der Bohrer war zu groß für das Gepäckfach und zu wichtig für die Expedition, als daß man ihn den Erschütterungen aussetzen konnte, die den Anhänger durchrüttelten. Daher war die zweite Hälfte der Bank mit Sicherungsklammern versehen, und der Bohrer war nun dicht hinter Harry festgeschraubt und nahm sozusagen den Platz des Beifahrers ein.
    Mit diesen wenigen Veränderungen war der Motorschlitten voll tauglich für die Arbeit auf dem Grönlandeis. Bei fünfzig Stundenkilometern betrug sein Bremsweg dreißig Meter. Die fünfzig Zentimeter breite Spur gewährleistete auf einigermaßen holprigem Terrain eine ausgezeichnete Bodenhaftung. Und obwohl der Schlitten mit allen Umbauten dreihundert Kilo wog, brachte er es auf eine Höchstgeschwindigkeit von siebzig Stundenkilometern.
    Im Augenblick war das beträchtlich mehr Leistung, als Harry gebrauchen konnte. Er fuhr praktisch im Schneckentempo. Sollte im Sturm vor ihm abrupt der Rand des Eisberges auftauchen, blieben ihm höchstens zehn oder zwölf Meter, um auf die Gefahr zu reagieren und das Schneemobil anzuhalten. Bei zu hohem Tempo würde er nicht mehr rechtzeitig stoppen können. Wenn er im letzten Augenblick auf die Bremse trat, würde er in die Nacht hinausgeschleudert werden und ins Meer stürzen. Diese Vorstellung machte ihm schwer zu schaffen, und er behielt ein Tempo von knapp zehn Stundenkilometern bei.
    Trotzdem mußte er so schnell fahren, wie die Vorsicht und Vernunft es zuließen. Jede Minute Fahrt vergrößerte die Möglichkeit, daß sie die Orientierung verloren und sich hoffnungslos verirrten.
    Sie waren vom sechzigsten Bohrloch aus nach Süden gefahren und behielten diese Richtung bei, so gut sie es vermochten. Dabei gingen sie davon aus, daß das, was vor dem Tsunami Osten gewesen war, nun Süden war. In den ersten fünfzehn oder zwanzig Minuten nach der Flutwelle hatte der Eisberg sich wahrscheinlich so weit gedreht, wie er sich drehen würde; mittlerweile mußte er sein natürliches Vorder- und Hinterteil gefunden haben, und dementsprechend

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