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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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würde er seinen Kurs nun beibehalten. Sollte ihre Annahme jedoch falsch sein und sich der Berg noch drehen, würde das vorübergehende Lager jedoch nicht im Süden liegen, und sie würden in beträchtlicher Entfernung an den Iglus vorbeifahren und sie, wenn überhaupt, nur durch Zufall entdecken.
    Harry wünschte sich, er hätte den Rückweg mit Hilfe markanter Orientierungspunkte finden können, aber die Nacht und der Sturm verschleierten sie alle. Außerdem ähnelte auf der polaren Eishülle die eine monotone Landschaft so ziemlich der anderen, und selbst bei hellem Tageslicht war es möglich, sich ohne funktionierenden Kompaß zu verirren.
    Er warf einen Blick auf den an der Seite hinter dem eisüberzogenen Plexiglas befestigten Rückspiegel. Die Scheinwerfer des zweiten Schlittens — auf dem Pete und Claude saßen — funkelten hinter ihm in der eisigen Dunkelheit.
    Obwohl er nur eine Sekunde lang abgelenkt gewesen war, richtete er seine Aufmerksamkeit sofort wieder auf das Eis vor ihm und rechnete halbwegs damit, direkt hinter den schwarzen Spitzen der Skier des Schneemobils einen klaffenden Abgrund zu sehen. Die kalkweiße Landschaft erstreckte sich vor ihm jedoch ungebrochen in die lange Nacht.
    Er hoffte, von dem provisorischen Lager einen Lichtschein zu sehen. Rita und Franz würde klar sein, daß es bei solchem Wetter ohne Orientierungshilfe schwierig, wenn nicht sogar unmöglich war, das Lager zu finden. Sie würden die Scheinwerfer der Schneemobile einschalten und auf den Eiswall hinter dem Lager richten. Das zurückgeworfene und verstärkte Licht würde ein unverkennbares Leuchtfeuer bilden.
    Doch er konnte vor sich nicht einmal ein schwaches, verschwommenes Schimmern ausmachen. Die Dunkelheit beunruhigte ihn, denn sie konnte bedeuten, daß das Lager unter Tonnen von Eis begraben war.
    Obwohl Harry normalerweise optimistisch war, wurde er manchmal von der morbiden Furcht überwältigt, seine Frau zu verlieren. Tief im Inneren war er nicht der Ansicht, sie wirklich verdient zu haben. Sie hatte mehr Freude in sein Leben gebracht, als er je zu hoffen gewagt hatte. Sie war ihm alles, und das Schicksal nahm einem Menschen nur allzugern das, was seinem Herzen am nächsten stand.
    Von allen Abenteuern, die Harrys Leben bereichert hatten, seit er diese Farm in Indiana verlassen hatte, war seine Beziehung zu Rita das aufregendste und lohnendste. Sie war für ihn exotischer, geheimnisvoller und besser imstande, ihn zu überraschen und zu bezaubern und zu erfreuen, als alle Weltwunder zusammen.
    Er redete sich ein, eigentlich sei es ein positives Zeichen, daß er keine Signallichter sah. Es bestanden gute Aussichten, daß die Iglus noch auf dem festen Eisfeld und nicht auf dem Berg standen. Und wenn das vorübergehende Lager sich noch auf der Eishülle befand, würde Rita in ein paar Stunden wieder sicher in Edgeway sein.
    Doch ganz egal, ob Rita auf dem Eisberg oder der Eishülle war, die Eiswand, die sich hinter dem Lager erhob, war vielleicht zusammengebrochen und hatte sie zermalmt.
    Er beugte sich weiter über die Lenkstange vor und spähte durch den dichten Schnee: nichts.
    Sollte er Rita lebendig wiederfinden, würde er, selbst wenn sie mit ihm auf dem Eisberg gefangen war, Gott jede Minute des Rests seines Lebens danken — wobei es sich vielleicht nur noch um furchtbar wenige handelte. Wie sollten sie von dem Eisberg herunterkommen? Wie würden sie die Nacht überstehen? Ein schnelles Ende wäre vielleicht besser als ein langsamer, elender Tod durch Erfrieren.
    Knapp zehn Meter vor ihm erschien im Licht der Scheinwerfer eine schmale schwarze Linie auf der verschneiten Ebene: ein Riß im Eis, von seinem Standort aus kaum auszumachen.
    Er trat hart auf die Bremse. Das Fahrzeug drehte sich um dreißig Grad, und die Skier schepperten laut. Er steuerte mit der Lenkstange dagegen, bis er spürte, daß die Skier wieder griffen, und fuhr dann wieder nach rechts.
    Er bewegte sich immer noch, glitt wie ein Puck beim Eishockey über die glatte Oberfläche, sechs Meter vom Abgrund entfernt, und er rutschte noch immer...
    Die Ausmaße der schwarzen Linie wurden deutlicher. Dahinter wurde Eis sichtbar. Also mußte es sich um eine Gletscherspalte handeln. Nicht der allerletzte Rand, hinter dem sich nur die Nacht und darunter das kalte Meer befand. Nur eine Spalte.
    Er rutschte und rutschte...
    Auf dem Weg von Edgeway zum Lager war das Eis makellos gewesen. Anscheinend hatten die unterseeischen Aktivitäten auch diesen

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