Eitle Liebe: Wie narzisstische Beziehungen scheitern oder gelingen können (German Edition)
Unattraktivität. Oder sie flüchten in die nächste Beziehung, um ihrem Schmerz zu entgehen und sich als Person zu bestätigen.
Da unsere Selbstwertregulation unter anderem auf positive Reaktionen von außen angewiesen ist, brauchen wir andere Menschen. Der Unterschied zwischen einem positiven und einem dysfunktionalen narzisstischen Verarbeitungsmuster, wie ich es nennen möchte, besteht darin, dass anerkennende Reaktionen im ersten Fall das Selbstwertgefühl bestätigen, im zweiten Fall dazu dienen, sich überhaupt wert zu fühlen. Narzisstische Menschen fühlen sich in ihrer Selbsteinschätzung fast völlig abhängig vom Gegenüber, da ihnen ein eigenes inneres Maß für ihren Wert fehlt. Deshalb umgeben sie sich gerne mit Leuten, die ihnen zustimmen, und meiden Andersdenkende, weil diese sie in ihrer Selbsteinschätzung verunsichern können. Da das Selbstwertgefühl keine konstante Größe ist, sondern ihre Stabilität abhängt von Faktoren wie unserer Tagesform, der Situation und dem Gegenüber, kann auch unsere Selbstregulation von positiv narzisstisch zu dysfunktional schwanken. Das heißt, bei dem einen Menschen fühlen wir uns selbstbewusst und eigenständig, bei dem anderen unterlegen.
Der Punkt, an dem der positive Narzissmus in den dysfunktionalen umschlägt, ist nicht immer einfach zu bestimmen, denn was in einem Fall angemessen erscheint, kann im anderen Fall ein Problem sein. So kann das ausgeprägte Achten auf gesunde Ernährung, ausreichenden Sport und Bewegung für die eine Person Ausdruck ihrer Selbstfürsorge sein und ihr ein gutes Körper- und Selbstgefühl verleihen. »Ich fühle mich wohl, wenn ich Sport treibe und ausgewogen esse, denn damit bleibe ich gesund und reguliere mein Gewicht.«
Für eine andere wird es zur Kompensation eines negativen Selbst- und Körpergefühls. Nach dem Motto: »Nur wenn ich schlank, durchtrainiert und fit bin, bin ich wertvoll und beachtenswert. Dicker und weniger leistungsstark bin ich ein Nichts.« In diesem Fall entscheiden die körperliche Fitness und das Gewicht über den persönlichen Wert und erhalten eine narzisstische Bedeutung.
Bei wem Sport und gesunde Ernährung ein narzisstischer Ersatz für ein fehlendes Selbstwertgefühl darstellt, können wir von außen oft nicht entscheiden, außer in den extremen Ausformungen wie der Sportsucht oder den Ess-Störungen.
Zwischen beiden Polen liegen viele Graustufen. Sehe ich gut aus und fühle ich mich fit und schlank, dann berührt das mein Selbstwertgefühl positiv. Dysfunktional narzisstisch ist es dann, wenn ich in meiner positiven Selbsteinschätzung darauf angewiesen bin und mich ablehne und entwerte, wenn ich nicht fit und schlank bin.
Hier nun begegnen wir der dritten Bedeutung von Narzissmus als einer Schutz- oder Abwehrform, die das Zusammenbrechen des Selbstwertgefühls verhindern soll. Die ständige Erhöhung der Gewichte am Trainingsgerät, die akribisch registrierten verlorenen Pfunde, die Zentimeter gewonnener Muskelmasse dienen dann in erster Linie der Stabilisierung des Selbst und der Erhöhung des Selbstwertgefühls. Der Mensch ist nur auf sich selbst fixiert und versucht, durch Größenphantasien, Perfektionismus, Besonderssein, die Erfüllung idealer Vorstellungen und das Verleugnen oder Umdefinieren enttäuschender Erfahrungen, sein Selbst in einem besseren Licht erscheinen zu lassen und es vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Auch die Selbstverliebtheit, die bei grandiosen Narzissten so aussieht wie ein bombenfestes Selbstwertgefühl oder eine übertriebene Eigenliebe, ist ein Ersatz für die fehlende innere Stabilität und hat mit Eigenliebe und Selbstwert wenig zu tun. Denn diese speisen sich primär aus Äußerlichkeiten, wogegen die Selbstliebe mehr auf Werte und den Kontakt zu sich selbst begründet ist.
Alle Menschen haben eine solche narzisstische Abwehr, die in Beziehungen zum Tragen kommt, sie unterscheidet sich jedoch durch ihre Stärke und Häufigkeit.
Ebenso ist ein gewisses Maß an Selbstliebe unentbehrlich. Übersteigt es aber eine Grenze und wird zur egozentrischen Überheblichkeit, dann handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Selbstwertmangel, der mit der Selbstüberhöhung ausgeglichen werden soll. Ein solcher Mensch besitzt vermutlich keinen oder nur wenig positiven Narzissmus und ist im Grunde nie zufrieden mit sich, weil er sich entweder als nicht gut genug zurücknimmt oder sich unter Druck setzt, noch besser werden zu müssen. Sicherheit,
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