Ekel / Leichensache Kollbeck
von ihm anbaggern zu lassen. Doch der Mann habe seine Aktentasche angehoben und auf seinen geöffneten Hosenschlitz gezeigt, aus dem das steife Glied herausragte. Sie sei vor Angst aufgesprungen und bis zum Abteilende gelaufen. Der Mann wäre unterdessen auf seinem Platz sitzengeblieben. Glücklicherweise habe sie ungehindert aussteigen können, während der Mann weitergefahren sei.
„Beschreiben Sie den Mann!“ verlangt der Polizist.
„Ich würde sagen: mittelgroß, Mitte Dreißig, gut angezogen, piekfein, verstehen Sie, so mit Schlips und Kragen. Rotbraunes Haar und kurzgeschnittener Vollbart, ebenfalls rotbraun.“
Während der Gesetzeshüter eines der vor ihm stehenden Telefone zu sich heranzieht und irgendeine Nummer wählt, fragt er: „Wollen Sie eine Anzeige erstatten?“
„Sicher, so was gehört doch hinter Gitter!“ antwortet sie entrüstet.
Der Polizist telefoniert mit einem Kollegen vom Bahnhof Jannowitzbrücke, der nächsten Station. Die Frau versteht nur Wortfetzen: „Letzter Wagen. Vorläufige Festnahme. Vielleicht haben wir noch Glück. Mann, Mitte Dreißig, mit Vollbart und Aktentasche. Vermutlich Raushänger!“ Dann legt er den Hörer auf und wendet sich an die Frau: „Geduld, wir müssen warten!“
Drei Minuten später schrillt das Telefon. Eilig greift der Polizist zum Hörer. Wieder vernimmt die Frau nur seine kurzen Antworten: „Ja. In Ordnung. Ihr veranlaßt das Weitere. Ich warte hier mit der Anzeigeerstatterin … Ihr Name … äh?“ Er stutzt, blickt die Frau fragend an. Sie versteht seinen Blick und sagt: „Hirsemann, Lilo!“
Er nickt und spricht laut und deutlich in den Hörer: „Frau Hirsemann, Lilo!“
Nach dem kurzen Gespräch mit dem Mann am anderen Ende der Leitung, lehnt der Freund und Helfer sich siegesbewußt zurück und verkündet stolz: „Der Kerl ist gefaßt! Aber mit der Anzeige müssen Sie noch warten. Die nimmt die Kriminalpolizei auf. Ein Funkwagen bringt sie hin!“
Als die erste Stunde des neuen Tages anbricht, gibt die 34jährige Friseuse Lilo Hirsemann beim Kriminaldienst der VP-Inspektion Mitte ihre Wahrnehmungen in der S-Bahn zu Protokoll.
Ihre Erregung läßt nach, als der Beamte des Kriminaldienstes sie darüber informiert, daß das Verhalten des Mannes in der S-Bahn Exhibitionismus genannt und strafrechtlich verfolgt wird. Aber ansonsten sei das Geschehen eher als harmlos zu bezeichnen, wenn man von der Verletzung des moralischen Empfindens absieht. Nach seinen praktischen Erfahrungen zu urteilen, hätte zu keiner Zeit eine akute Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit bestanden. Das beruhigt sie zusätzlich. Und sie ist restlos zufrieden, als ihr abschließend angeboten wird, ein Funkwagen würde sie bis zu ihrem Wohnhaus in Lichtenberg kutschieren.
Gegen zwei Uhr wird der vorläufig Festgenommene, ein 33jähriger Arzt namens Dr. med. Uwe Eichelberg, wohnhaft in Heinersdorf, erstmals befragt. Die erkennungsdienstliche Prozedur hat er bereits schweigend über sich ergehen lassen: 3-teiliges Täterlichtbild, Abnahme von Fingerabdrücken. Er wirkt schüchtern und zurückhaltend. Während der Befragung bricht es aus ihm heraus: Weinend bedauert er den Vorfall in der S-Bahn. Eine plötzlich sexuelle Erregung und ein unaufhaltsamer, innerer Zwang haben ihn dazu getrieben, sein Geschlechtsteil vor der Frau zu entblößen. Verstandesmäßige Kontrollmechanismen seien dabei völlig außer Kraft gesetzt worden. Erst nachdem die Frau schreiend ihren Platz verlassen hatte, sei seine Kritikfähigkeit zurückgekehrt. Er mache sich nun schwere Vorwürfe, die Kontrolle über sich verloren zu haben, und sei entsetzt über sich selbst. Vor allem, weil er keinerlei sexuelle Probleme habe, seit zwei Jahren eine gute Ehe führe und an seinem kleinen Sohn hänge. Aber es sei plötzlich über ihn gekommen. Sein Verstand müsse total ausgesetzt haben, vermutlich begünstigt durch eine leichte alkoholische Beeinflussung. Anlaß dafür sei eine private Zusammenkunft im Haus der DSF gewesen, zu der ein Kollege anläßlich seiner Facharztprüfung eingeladen hatte. Er wisse wohl, sich strafbar gemacht zu haben.
„Bin ich jetzt verhaftet?“ fragt er ängstlich.
„Das kommt darauf an, ob Sie Rückfalltäter sind“, antwortet der Kriminalist, „aber das kläre ich gleich!“
„Um Himmels willen, mit der Polizei hatte ich noch nie etwas zu tun!“ ächzt Dr. Eichelberg.
„Um so besser für Sie, aber ich prüfe Ihre Angaben erst“, entgegnet der Vernehmer,
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