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El Camino Amable

El Camino Amable

Titel: El Camino Amable Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Curth
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viele Kapellen, alle sind unterschiedlich ausgestaltet. In einer sehe ich einen mittelalterlichen Pilger mit Hut und Stiefeln - in der Hand einen toten Fisch. Der Pilger hat Flügel. Oder es ist ein Engel, der pilgert.

    Anschließend gehe ich mit Katharina ins „Museo de Burgos“, das ist ein Heimatmuseum, in dem außer kirchlicher Kunst, Steinmetzarbeiten und Gemälden auch prähistorische Funde zu sehen sind. Dazu gehören auch Funde aus den Höhlen von Atapuerca, wo man Malereien, Utensilien und Knochen eines Menschentyps gefunden hat, der als erster Europäer bezeichnet wird und vor 800 000 Jahren lebte.

    Es ist inzwischen früher Nachmittag und nach einem kleinen Imbiss mache ich mich wieder auf den Camino, während Katharina einen Abstecher nach Madrid zu ihrem Liebsten plant. Es ist inzwischen richtig heiß, kaum zu glauben, wie ich gestern unter der Kälte und dem Sturm gelitten habe. Ich hole erstmals meinen Hut hervor, den ich mir schon vor einer Woche gekauft habe. Wie immer fallen mir die Nachmittags-Kilometer besonders schwer. Außerdem habe ich heute auch keine Tablette genommen. Das rächt sich. Als ich um 16.30 Uhr nach lächerlichen 10 Kilometern in Tardajos ankomme, muss ich zu meinem Entsetzen hören, dass die Herberge schon voll ist. Completo.
    So was Ärgerliches! Den Vorschlag der Herbergsmutter, die schlappen 10 Kilometer zur nächsten Herberge zu gehen, finde ich unerträglich. Also zeige ich auf meinen geschwollenen Fuß, hole die Salbe raus und sage eines meiner wenigen spanischen Wörter: „Aua!“ Und siehe, es hilft — ich erlebe ein kleines Wunder! Sie tauscht Blicke mit einer anwesenden Nachbarin, seufzt auf Spanisch und zeigt mir dann ein Einzelzimmer! Energisch weist sie unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen aber noch darauf hin, wenn ein Pilger käme, der nun wirklich und schlimm und richtig krank sei, müsste der das Bett haben und ich müsste dann auf dem Fußboden schlafen. Wunderbar! Bin ich dankbar für meinen blöden Fuß!

    Nach dem Duschen laden mich zwei Amerikaner aus Las Vegas zu einem Snack ein. Sie haben Chips gekauft und aus einer Avocado Guacamole gemacht. Irgendwo gehe ich einkaufen: Käse, Brot, Wein, Würstchen. Ich lade die immer hungrige Sdenka ein. Sie kam noch nach mir, durfte aber bleiben, weil sie ein Zelt hat und draußen im Garten schlafen will.
    Dann kommen die beiden netten Amerikaner mit ihrem Dinner an: zwei Dosen Cola, eine Schokolade, zwei Eis und vier Scheiben Salami. Während wir in aller Fröhlichkeit essen, steht einer der (vermeintlichen) Pilger — ein älterer Herr - auf, schleppt einen Plastiktisch in eine Ecke des Gartens und stellt eine Bank davor. Dann wendet er sich an uns und verkündet freundlich auf Spanisch, Englisch und Deutsch, dass er gleich eine Abendmesse für die Pilger feiern werde, denn es sei der Vorabend des Tages des heiligen Jakobus. Anschließend packt er eine grüne Schärpe aus und legt sie sich um den Hals, stellt ein silbernes Becherchen, ein silbernes Fläschchen und ein silbernes Döschen auf den Plastiktisch und bedeckt alles mit weißen, bestickten Tüchern. Dann wartet er. Sein Angebot wird gerne angenommen. Schnell ist die Bank besetzt und eine zweite wird geholt. Er beginnt mit der Liturgie, die er auch stückchenweise ins Englische und ins Deutsche übersetzt. Obwohl er sich zwischendurch gegen Treckerlärm und Fliegen durchsetzen muss, wird es eine lebendige Messe! Später kommen nach und nach noch mehrere Pilger, die aber nicht bleiben dürfen. Completo — so ist das eben. Einige duschen noch „bei uns“ und wollen dann im Bushäuschen schlafen. Irgendwann später meint die Herbergsmutter dann, alles claro, ich könnte jetzt das Bett haben und Sdenka die Matratze in dem Zimmer. Ein Zweibettzimmer!

12. Tag

Tardajos— Hontanas

    Wie immer stehen die Pilger früh auf, aber als ich kurz vor sieben vors Haus trete, stehen alle noch da, denn die Herbergsmutter hat Kaffee und Leche, Brot und Marmelade hingestellt und wir frühstücken im Stehen. Um 7 Uhr laufe ich los (mit Tablette). Die Luft ist herrlich. Es geht in der morgendlichen Kühle kilometerweit durch Getreidefelder. Ich glaube, den Duft dieser Getreidefelder, den Duft dieses Sommers werde ich nicht so bald vergessen — hoffentlich!

    Die Berge werden flacher, ich laufe durch Kastilien und habe die Weinberge von La Rioja hinter mir gelassen. Schwalben und Mauersegler überall!
    Der Himmel ist knallblau und die 38 Grad, die Katharina im

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