El Camino Amable
einem Tisch, den nehme ich dann, schließe auf, trete ein, gehe innen zum Tisch und lege den Schlüssel wieder darauf zurück. Es sei „very important“, so und immer genau so zu verfahren, schärft er mir ein. Jeder wisse hier nämlich, wo der Schlüssel liegt und würde ihn auch genau dort erwarten. Aber, so frage ich mich, wenn ohnehin jeder weiß, wo der Schlüssel ist, warum lässt man die Tür nicht offen?
Nun geht es wieder an den Haushalt: Duschen, Waschen, Ruhen. Ich unterhalte mich noch ein bisschen mit Désirée, mit der ich seit vier Abenden die Herbergen teile. Dann bummle ich in die „Stadt“ Carrión de los Condes. Der nächste größere Platz ist nur wenige Schritte entfernt. Ich will unbedingt die Reste der alten Kirchenfassade fotografieren, auf der sich vier riesige Storchennester befinden. Ich habe das bange Gefühl, wenn ein Storch mal aus Versehen ein Ei zu viel legt, stürzt die Fassade ein, weil dann das Gleichgewicht nicht mehr gewährleistet ist.
Aber dann komme ich doch nicht zum Fotografieren, weil Gert und Traute, ein freundliches Ehepaar aus Mitteldeutschland, mit Bernd auf der Rasenfläche des Platzes liegen. Bernd ist Rentner und ist die erste Etappe seiner Pilgerreise mit dem Motorrad von Regensburg bis Somport gefahren. Dort hat er einer spanischen Familie Geld angeboten und sein Motorrad für die nächsten Wochen bei ihr „geparkt“. Seitdem läuft er den Camino, allerdings hat er eben für die erste Strecke den „Aragonesischen Weg“ gewählt, der sich kurz vor Puente la Reina mit dem „Navarrischen Weg“ zum „Camino Francés“ vereinigt. Gert und Traute habe ich in Grañón kennengelernt und seitdem ab und zu getroffen. Sie hatten mir in Boadilla einen jungen Mann aus der Schweiz zu treuen Händen überlassen, weil er kaputte Füße hatte. Sie hatten sich drei Tage um diesen Urs gekümmert, weil er als Informatiker zwar hochintelligent ist, aber ohne jede Bodenhaftung. Er klagte über das zu hohe Gewicht seines Rucksacks, also haben sie diesen erst einmal mit ihm gecheckt. Er hatte zwei Kilo Erdnüsse dabei, weil er gelesen hatte, Nüsse seien bei körperlicher Beanspruchung besonders gesund. Außerdem schleppte er einen Gaskocher mit Kartusche, hatte aber keinen Topf dabei, des Weiteren aber fünf Bücher, von denen er meinte, dass er sie brauchen könnte. Die Erdnüsse wurden kurzerhand in der dortigen Herberge verteilt, die Bücher und die anderen Beschwernisse per Post nach Hause geschickt. Nun war der Rucksack zwar deutlich leichter, aber die Füße taten ihm weh.
Ich habe Urs aber in Boadilla dann doch einem anderen Deutschen zu treuer Fürsorge überlassen. Inzwischen habe ich gehört, dass er sich einer Reisegruppe angeschlossen hat, die mit dem Bus unterwegs ist und diesen nur an markanten „Pilgerweg-Highlights“ verlässt. Das ist auch sicher besser so für Urs.
Dann erzählten Gert und Traute, dass sie mit dem Bus von hier nach León fahren wollten, um dort Bekannte zu besuchen. Allerdings hätten sie große Schwierigkeiten, ein Busticket nach León zu bekommen. Am morgigen Sonnabend sollte überhaupt kein Bus fahren.
Da ich nun dasselbe vorhabe, interessiert mich das natürlich.
Zwei Überlegungen haben mich nämlich bewogen, für etwa 90 Kilometer den Bus zu nehmen. Zum einen möchte ich meinen Fuß wirklich einmal einen ganzen Tag richtig entlasten. Zum anderen muss ich beschämt zugeben, dass ich mich bei meiner Planung verrechnet habe. Ich habe gedacht, in den mir zur Verfügung stehenden vier Wochen sei die Strecke von Pamplona bis Santiago de Compostela zu Fuß gut zu bewältigen. Dabei bin ich von einer Entfernung von rund 650 Kilometern zwischen diesen Städten ausgegangen. Inzwischen weiß ich, dass die Entfernung zwischen beiden Städten etwa 745 Kilometer beträgt und bin in Sorge, dass ich zu wenig Zeit habe und dann womöglich die letzten Kilometer mit dem Bus fahren muss und so mit dem Bus in Santiago de Compostela ankomme. Die Vorstellung gefällt mir gar nicht!
Daher also der Entschluss, die zeitlich fehlenden rund 90 Kilometer vorher mit dem Bus zurückzulegen, und es bietet sich an, von Carrión de los Condes bis León zu fahren, da hier auch wirklich Busse verkehren. Wer weiß, wie es sich mit den Busverbindungen in den nachfolgenden Dörfern verhält.
Ich warte mit den dreien im Schatten auf der Rasenfläche des Platzes. Um 17 Uhr, wenn die Siesta vorbei ist, sind auch die Leute in der Information sicher offener. Dann gehe
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