El Camino Amable
die Seiten um. Dieser Priester hat einen Infusionsschlauch in der Nase und trägt eine dazugehörige Box mit sich herum. Vier junge Priester aus Frankreich assistieren und singen die Liturgie mit. Diese Liturgie kenne ich schon, sie haben sie vorhin unter der Dusche geübt.
Das alles macht einen anrührenden Eindruck. Diese alten Männer, die irgendwie auch symbolisch für ihre Kirche stehen, und gleichzeitig so viel rührende Fürsorge und Hilfe, damit die beiden Alten ihren Dienst tun können. Anschließend gehen alle Pilger, die möchten, ins Kloster und essen Knoblauchsuppe, die die Schwestern des Pfarrers für alle gekocht haben. Vorher stimmt der Priester aber noch Beethovens „Ode an die Freude“ an und alle singen mit — ein jeder in seiner Sprache.
Die Nacht ist ruhig. Allein das ist wie immer ein kleines Wunder in diesen Massenschlafsälen. Gila hat noch redlich versucht, mir mit Reiki, Massage und Energiekonzentration meinen Fuß zu heilen. Sie macht es wirklich nett und ich gebe mir alle Mühe, meine Energie ebenfalls auf meinen Fuß zu konzentrieren. Vielleicht ist heute nicht mehr allzu viel Energie da, es klappt jedenfalls nicht. Aber ich bin für so was auch nicht geschaffen und ich fürchte, sie scheitert an meiner restriktiven Mitarbeit.
10. Tag
San Juan de Ortega-Burgos
Ich habe beschlossen, etwas länger liegen zu bleiben. Ich will heute nicht laufen, sondern mit dem Bus nach Burgos fahren, um den linken Fuß einmal wirklich zu schonen. Kurz nach 5 Uhr klingeln die ersten Wecker, aber ich stehe erst kurz nach halb sieben auf. Um sieben wollte ich mich mit Gila treffen, um ihr meinen Entschluss bezüglich Bus mitzuteilen. Als ich aber um sieben vors Kloster trete, gießt es in Strömen! Dies festigt natürlich meinen Entschluss. Aber dann teilt mir die Schwester des Pfarrers mit, dass es im Umkreis von vielen Kilometern keinen Busverkehr mehr gibt. Sie ist aber bereit, uns ein Taxi zu rufen. Dies finde ich dann aber doch reichlich unsportlich: Pilger, die beim ersten Regen Taxi fahren! Nix da. Also haben wir noch ein wenig den Regen abgewartet und dabei einen Café con leche von der Pfarrersschwester in ihrer Privatküche bekommen. Das war fast gemütlich. Gegen halb acht sind wir dann regensicher verpackt losmarschiert. Es hat zunächst nur geschüttet, dann wurde der Wind stärker und steigerte sich zum Sturm. Man konnte sich wirklich einfach gegen den Wind legen, ohne umzufallen - es war gigantisch! Nach etwa zwei Stunden hörte der Regen zwischenzeitlich auf, fing dann aber doch immer wieder an, sodass es sich nicht lohnte, das Regencape einzupacken. Wir sind dann 18 Kilometer bis Castañares gelaufen, die letzten Kilometer an Müllkippen und Schutthalden entlang, bis wir ein Restaurant in Castañares fanden. Gila und ich waren inzwischen doch recht hungrig geworden und während ich mir einen kleinen Imbiss gönnte, langte Gila beim Pilgermenü kräftig zu und genoss auf diese Weise eine ausgiebige Mittagspause. Ich bin dann mit dem Vorortbus durch das Gewerbegebiet in die Stadt gefahren - das war eine gute Entscheidung.
Die Pilgerherberge befindet sich fast schon wieder außerhalb der Stadt in einem großen Park am Fluss Arlanzón. Sie besteht aus drei Baracken, in einer sind die Betten. Ich habe Nummer 87!
Wäsche waschen kann man draußen in einer Art „Viehtränke“, über der ein Rohr läuft, das mehrfach angebohrt wurde. So spritzt das kalte Wasser etwa alle 30 Zentimeter in die Tränke und es können viele Menschen nebeneinander ihre Wäsche waschen. Das funktioniert ganz gut, aber am saubersten wird natürlich die Wäsche von demjenigen, der als Erster an der „Viehtränke“ steht und noch das frische Wasser benutzen kann, während alle Nachfolgenden ihre Wäsche auch im Wasser der Vorgänger waschen. Während ich noch meine Wäsche wasche, kommt langsam die Sonne durch. Ich hole meinen Schlafsack heraus, lege mich ins Gras und spiele ein bisschen Urlaub. Dann kommt Gila und will wissen, wo mein Bett ist, sie nimmt praktischerweise das darunter. Nach einiger Zeit fahren wir gemeinsam mit dem Bus ins Zentrum und trinken in der Sonne (!) einen Kaffee auf dem Platz vor der Kathedrale.
Burgos wurde im 9. Jahrhundert gegründet und entwickelte sich im 11. Jahrhundert zur Hauptstadt von Kastilien und zur Krönungsstadt der kastilischen Könige. In einem neun Kilometer von Burgos entfernten Dorf wurde der bekannte spanische Held des 11. Jahrhunderts, Rodrigo Diaz de Vivar,
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