El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
die zu diesem Zeitpunkt für die 2012 Stattfindenden Präsidentschaftswahlen als Favorit galt, würde, so wurde angenommen, eine solche stillschweigende Übereinkunft ermöglichen. 379
Selbst Präsident Calderón schien das Ganze allmählich auf kleinerer Flamme kochen zu wollen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Ausrottung der Armut zählten nun zu seinen obersten Prioritäten, erst an abgeschlagener dritter Stelle fand der Krieg gegen die Drogen Erwähnung. 380
Die Bewohner von Culiacán und Umgebung mühten sich indes, ihre Städte und Gemeinden langsam wiederaufzubauen. Einmal traf sich eine kleine Gruppe von Bürgern in einem Hinterzimmer in Culiacán, um Mittel und Wege zu diskutieren, mit denen der Stolz der Stadt wiederhergestellt werden konnte. Sie planten Fiestas, Bücherspendenaktionen und erstellten eine Liste respektabler Bürger, die sie auf solche Vorhaben ansprechen wollten. Doch irgendwie ähnelte ihre Versammlung einem konspirativen Treffen versprengter Kriegsgegner. Am Ende verabschiedeten sie sich leise und wünschten einander viel Glück.
Ganz Culiacán fürchtete mehr und mehr die Gewalt der jungen Narcos, die offenbar vor nichts mehr Respekt hatten. Einmal stolperte die Freundin eines jungen Narcos vor einem Nachtclub mit ihren hochhackigen Schuhen. Ein Mann, der in der Nähe stand, wagte es, über ihr Missgeschick zu lachen. Der Narco schoss ihn nieder.
Der Bischof von Culiacán, Benjamín Jiménez Hernández, rief die Bürger öffentlich dazu auf, sich zu erheben und sich der Welle der Gewalt entgegenzustellen. In der Gluthitze einer dicht besetzten Kirche forderte er seine Gemeinde auf, endlich zu handeln. »Wir müssen für unseren Glauben kämpfen, wir müssen für unsere Zukunft kämpfen … Diese unerträgliche Hitze, in der wir heute leben, müssen wir mit unserem Glauben besiegen.«
Doch der November 2009 war seit sechzehn Jahren wieder der blutigste Monat in Sinaloa. Und es sollte noch schlimmer kommen. 381
Sogar in den Gefängnissen.
Mexikos Gefängnisse waren seit jeher eine Problemzone. Nun wurden die Verhältnisse unerträglich. Ende 2009 waren im Krieg gegen die Drogen 129 000 Personen verhaftet worden. Zwar wurden einige wieder freigelassen, aber die Gefängnisse waren mit Zehntausenden von mutmaßlichen und verurteilten Drogendealern überfüllt.
Viele davon zählten zu Chapos Truppe, fast 30 000 Mitglieder des Sinaloa-Kartells waren verhaftet worden, die meisten davon Fußsoldaten, die ihrem Boss nie begegnet waren, sondern lediglich die Drecksarbeit für ihn erledigten. Aber es waren auch hochrangige Leutnants unter den Häftlingen:
Roberto Beltrán Burgos, alias »El Doctor«, Leutnant. Verhaftet wegen Beteiligung am organisierten Verbrechen.
José Ramón Laija Serrano, Leutnant. Führte die Geschäfte weiter, während Chapo in Puente Grande einsaß. Wegen Entführung zu 27,5 Jahren Gefängnis verurteilt.
Diego Laija Serrano, alias »El Vivo« (»der Gerissene«), Leutnant. Wegen Drogenvergehen und des Besitzes von Kriegswaffen zu 41 Jahren Gefängnis verurteilt.
Carlos Norberto Félix Terán, Leutnant. War für die Drogenproduktion in Tamazula zuständig sowie dafür, Chapo über alle militärischen Bewegungen in der Gegend zu informieren. Verhaftet wegen mutmaßlicher Beteiligung am organisierten Verbrechen.
Doch die Verhaftungen trafen nicht nur Chapo, sie brachten auch Mexikos Justizvollzugsanstalten an den Rand ihrer Kapazitäten. In den Gefängnissen von Matamoros, Ciudad Juárez, Culiacán und Tijuana kam es zu Häftlingsrevolten, bei denen
unter anderem Mitglieder des Sinaloa-Kartells, deren Rivalen aus Juárez und Mitglieder der Zetas aufeinander losgingen. 382
Im Gefängnis von Matamoros sind sowohl Mitglieder des Sinaloa-Kartells als auch Zetas inhaftiert. Jaime Cano Gallardo, der Gefängnisdirektor, wurde Zeuge einer Revolte, bei der er hilflos mit ansehen musste, wie rivalisierende Gangs sich gegenseitig auf dem Gefängnishof attackierten. Seine Wachen waren der Situation nicht gewachsen, deshalb forderte er Verstärkung an. Als die Armee und die Federales endlich eintrafen, waren zwei Häftlinge tot und über dreißig verletzt. Der Direktor trägt nun zum Selbstschutz ständig eine halbautomatische Pistole.
Im Staatsgefängnis von Durango gingen rivalisierende Banden mit eingeschmuggelten Pistolen und anderen Waffen aufeinander los. Bei dem Gemetzel kamen zwanzig Insassen ums Leben, sechsundzwanzig wurden verletzt. 383
Und beim
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