El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
widersprechen. Und tat das auch. Im Februar 2010 erklärte er, der Krieg gegen die Drogen sei fehlgeschlagen. Dazu erging er sich in Details über Chapos extravagante Hochzeit in den Bergen von Durango.
Am 11. Dezember 2009 erhielten die Bundesbehörden eine besonders wertvolle Information. Marcos Arturo Beltrán Leyva, alias El Barbas, würde in Ahuatepec, Morelos, eine Party besuchen. Eine Einheit mexikanischer Marines stürmte das Fest, kam aber zu spät. El Barbas war bereits gegangen. Dafür verhafteten sie Dutzende anderer Gäste, darunter den Musiker Ramón Ayala und dessen Band Los Bravos del Norte.
Doch die DEA lieferte den Sondereinheiten weitere Informationen, und so gelang es ihnen, El Barbas auf der Spur zu bleiben. Fünf Tage später, am 16. Dezember, riegelten zweihundert Marines ein Villenviertel in Cuernavaca, Morelos, ab und stürmten ein luxuriöses Apartmenthochhaus. Helikopter schwebten über dem Gebäude, während die Elitesoldaten die Bewohner schnell und diskret in das Fitnesscenter im Kellergeschoss brachten. Dann stießen sie zum anvisierten Apartment vor, und es gab eine Schießerei. Die Marines antworteten auf den Kugelhagel mit Handgranaten. Bei dem Feuergefecht starben fünf Narcos, einer sprang in den Tod. Im Apartment stießen sie auf die Leiche von El Barbas. Chapos größter Rivale war tot. 391
Nur wenige Stunden nach seinem Ableben wurden bereits acht frisch komponierte Narco-Corridos ins Netz gestellt. In Nogales, Sonora, einer Hochburg Chapos, feierten die Bewohner in den Straßen und schossen in die Luft. »Eine verirrte Kugel hat ein kleines Mädchen verletzt«, erzählte ein Zeuge, »aber ansonsten war es ein fröhliches Fest. Die reinste Posada (Feiertagsparty).« 392
Posthum musste El Barbas noch die größte Narco-Demütigung hinnehmen. Man hatte ihm die Hosen halb heruntergezogen und seine Unterhosen bloßgelegt. Sein Körper war mit Peso- und Dollarscheinen übersät. Natürlich bestritten alle an der Aktion Beteiligten, sich an der Leiche vergangen zu haben. Man beauftragte die Spurensicherung damit, eine Ermittlung einzuleiten.
Unmittelbar danach wurden vier Familienangehörige eines an der Aktion beteiligten Marines ermordet. 393 El Barbas indes wurde in Culiacán in den Jardines del Humaya unter strenger militärischer Überwachung beigesetzt. Wenige Tage später wurde ein abgeschlagener Kopf vor seinem Grab abgelegt. 394
Weniger als zwei Wochen nach El Barbas’ Tod wurde dessen Bruder Carlos verhaftet. Auch hier glaubte man, Chapo habe in einem Akt der Selbsterhaltung die notwendigen Informationen geliefert. 395 La Barbie, der Texaner, der einst auch für Chapo gearbeitet hatte, ließ sich später widerstandslos verhaften, was zu Spekulationen führte, er habe sich freiwillig gestellt.
So gewann Chapo nach und nach wieder die Oberhand. Er hatte schon immer erstaunliche Fähigkeiten bewiesen, wenn es darum ging, nach einer Niederlage wieder Stärke zu zeigen. Er gab nie klein bei, sondern schlug stets mit noch größerer Entschlossenheit zurück. 396
Als Los Zetas, die Alliierten der verbleibenden Beltrán-Leyva-Brüder, in Durango, Chihuahua und Sinaloa Fuß zu fassen versuchten, nahm das Blutvergießen eine noch erschreckendere
Dimension an. In Parral, wo auch den Revolutionär Pancho Villa sein Schicksal ereilt hatte, wurden in einer Kühlbox drei Köpfe gefunden. Es handelte sich um Zetas, und Chapos Leute übernahmen die Verantwortung. Doch die Zeta-Offensive hielt an. Sie drängten nach Culiacán, Mazatlán, Guasave und Tamazula vor.
Ende 2010 gab es in Culiacán und Ciudad Juárez ein Machtvakuum. In beiden Städten hingen überall Narco-Mantas, und auf den Straßen wurde verbreitet, Chapo könne sich nicht einmal mehr in Teilen seiner Hochburg Sinaloa frei bewegen.
Dennoch wirkte es, als würde er am Ende als Sieger hervorgehen. Neben seiner Belastbarkeit und Widerstandskraft war es vor allem seine Fähigkeit, Allianzen zu schmieden und keine schlafenden Hunde zu wecken, die ihm während der ganzen Jahre Stärke verliehen hatte. Es war ihm immer gelungen, am rechten Ort zur rechten Zeit das richtige Bündnis zu knüpfen.
Chapo – so hieß es – habe mit der Armee und der Regierung in Ciudad Juárez einen Deal gemacht, der ihm die Kontrolle über die Grenzstadt sicherte, sobald die Behörden mit den Resten des Juárez-Kartells aufgeräumt hatten. Natürlich wurde ein solches Abkommen rundweg dementiert. So oder so, das Blutvergießen zwischen
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