El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
tollkühnsten Ausbruch seit den Ereignissen in Puente Grande ließen sich dreiundfünfzig Narcos von einer Gruppe junger Männer, die als Federales verkleidet waren, aus einem Gefängnis in Cieneguillas, Zacatecas, eskortieren. 384
Die mexikanische Regierung ignorierte diese Probleme keinesfalls und plante die Errichtung weiterer Hochsicherheitsgefängnisse. Tello Peón, der Mann, der durch Chapos Flucht bis aufs Mark gedemütigt worden war, war inzwischen wieder in Amt und Würden und fungierte als Nationaler Sicherheitsberater. In dieser Eigenschaft forderte er eine »brutale« Reform des Gefängniswesens. 385
Die Zustände in den Gefängnissen von Ciudad Juárez und Culiacán sind besonders schlimm. Aufgrund des anhaltenden Krieges zwischen Chapo und dem Juárez-Kartell war die Stadt zum Tummelplatz für Kriminelle aus allen Teilen des Landes geworden, die sich auf der Straße gegenseitig niederschossen und, einmal eingesperrt, es auch im Gefängnis nicht lassen konnten. Das Gefängnis von Ciudad Juárez ist groß und
weitläufig. Schroffe Betonbauten breiten sich über die Wüste aus und scheinen fast bis in die Berge am Horizont zu reichen. Viele Außenbereiche sind nur durch Stacheldraht und Maschendrahtzäune gesichert. Einmal brach zwischen Aztecas und einer rivalisierenden Gang eine Auseinandersetzung aus, bei der vier Wärter als Geiseln genommen wurden. Als die Armee eintraf, um den Aufstand niederzuschlagen, waren zwanzig Häftlinge tot und Dutzende verletzt. Daraufhin errichtete die Gefängnisverwaltung eine mächtige Mauer, die die Zellentrakte der Banden voneinander trennte. Zusätzlich angemietete Soldaten patrouillierten vierundzwanzig Stunden am Tag durch die Anstalt. Dennoch behielten die Aztecas de facto die Kontrolle. Wärter, die ihren Zellentrakt betreten wollten, wurden von den Insassen selbst daran gehindert.
Auf einem anderen Hof des Gefängnisses spielte eine Band während der Besuchszeit Narco-Corridos. Sie hatte den Mut und intonierte mitten im Feindesland eine Ode an Chapo. Während die Band munter drauflosspielte, deutete ein Wärter auf eine Gruppe von Aztecas, die hasserfüllt durch den Zaun starrten. »Seid vorsichtig«, warnte er die Musikanten. »Bei der kleinsten Kleinigkeit können sie explodieren.«
Und auch Jahre nach Chapos spektakulärer Flucht kam es immer wieder zu Gefängnisausbrüchen. So beispielsweise in Culiacán. Während einer Party für Insassen und deren Besucher spazierte ein mutmaßlicher Vertrauter von Chapo an den bewaffneten Wachen vorbei durch das gesamte Gefängnis hinaus auf den Parklatz, von wo ihn ein Wagen in die Freiheit transportierte.
»Die Ursache ist menschliches Versagen«, meinte Pedro Cárdenas Palazuelos, der unmittelbar nach diesem Vorfall zum Direktor des Gefängnisses von Culiacán ernannt wurde. »Wir haben Kameras, elektronische Türen und Tore; wenn niemand die Tür aufmacht, gelangt auch niemand hinaus. Es ist die Korruption.«
Cárdenas Palazuelos’ Amtszeit war kurz. Zwei Monate nach seinem Amtsantritt wurde er durch Oberstleutnant Carlos Suárez Martínez ersetzt. »Wir werden die Sicherheitsvorkehrungen, die Disziplin und die Überwachung verstärken«, erklärte der ehemalige Offizier. Keine zwei Wochen später entkam ein weiterer Häftling. Auch er spazierte unter den Augen des Wachpersonals davon. Und auch er arbeitete offenbar für Chapo. 386
Der letzte Narco
El Padrino sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis im Bundesstaat Mexico. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. Aus seiner Zelle heraus hält er die Verteidigungsrede, die man ihm, wie er behauptet, vor Gericht nicht gestattet habe.
»Wir, die alten Capos, die man verhaftet hat, wir waren nur ein paar wenige … Wir haben weder geraubt noch gemordet, und wir haben auch das mexikanische Volk nicht ausgesaugt, wie es viele Politiker tun.« El Padrino besteht darauf, dass es nicht darum gehe, freigelassen zu werden, sondern dass er sich nur gegen die Anschuldigungen zur Wehr setzen wolle, die ihn für die gegenwärtige Gewaltwelle verantwortlich machten, was nicht nur unfair, sondern auch lachhaft sei. »Man kann die Gewalt bekämpfen, mit Jobs, Schulen, Fußballplätzen, Kommunikationsmöglichkeiten, medizinischer Versorgung, öffentlicher Sicherheit und dem Kampf gegen die Armut … Wir müssen daran erinnern, dass das mexikanische Land in der Sierra vergessen wurde, dort gibt es weder gute Schulen noch Straßen … nur Repression.« 387
Derweil
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