El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
er seit der Verhaftung von El Vicentillo dessen Aufgaben übernommen. Zudem war er so etwas wie Chapos Sprachrohr geworden und damit betraut, Chapos Anweisungen an die Untergebenen im ganzen Land weiterzugeben.
Armee und Federales erhielten einen anonymen Tipp, dass eine Gruppe bewaffneter Männer die Stadt Durango umfuhr. Zweihundert Polizisten und Soldaten kreisten die Gegend ein, wo die Fahrzeuge gesehen worden waren, und stellten sie. Eine Schießerei entbrannte. Unter den Toten befand sich Israel Sánchez Corral, alias »El Paisa«, der für Chapo Culiacán kontrolliert hatte. Außerdem war er dafür zuständig gewesen, dass niemand – insbesondere nicht die Zetas – in Chapos Territorium eindrang.
Antonio Mendoza Cruz, alias »El Primo Tony«, ebenfalls ein enger Vertrauter von Chapo, wurde in Zapopan, Jalisco, festgenommen. Er war in den Staaten Quintana Roo, Jalisco und Sinaloa für die Ankäufe von Pseudoephedrin und Kokain verantwortlich. Darüber hinaus arbeitete El Primo Tony direkt mit den Kolumbianern zusammen und gehörte seit den Anfangstagen zum engsten Kreis des Drogenbarons. Auch bei Chapos Flucht aus Puente Grande hatte er offenbar seine Finger im Spiel gehabt.
Indem sie Chapos Netzwerk gezielte Schläge versetzten und die hierarchische Struktur des Kartells beschädigten, hofften die Behörden, seine Operationen ernsthaft zu stören. Jedes Mal, wenn ein hochrangiger Narco getötet oder festgenommen wurde, musste ihn Chapo kurzfristig ersetzen. Wenn es ihnen gelang, dann auch noch den Nachfolger zu erwischen, so die Taktik der Behörden, würde Chapo irgendwann nicht mehr rechtzeitig reagieren können, weil ihm die Leute ausgingen, denen er trauen konnte.
Indes plante eine Gruppe von Chapos Männern ein Attentat auf Präsident Calderón. Obwohl nie Einzelheiten bekanntwurden, gab der Präsident zu, dass es nicht das erste Mal war, dass die Regierung Kenntnis von solchen Vorhaben erhielt. »Und es wird auch nicht das letzte Mal sein«, sagte Calderón. »Die Kriminellen versuchen im Prinzip, die Behörden dazu zu bringen, die Jagd auf sie einzustellen … weil wir sie zum Rückzug zwingen. Aber in diesem Kampf wird uns niemand einschüchtern oder gar aufhalten.«
Die Armee entdeckte zudem in den Bergen von Sinaloa und Durango Meth-Küchen von einer Größe, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte. Eines dieser Labors besaß die Kapazität, jeden Monat zwanzig Tonnen Methamphetamin herzustellen, was in den USA einem Straßenverkaufswert von 700 Millionen Dollar entsprach. Nachdem Generalstaatsanwalt Medina Mora Anfang 2009 erklärt hatte, La Familia sei nun der
größte Meth-Produzent des Landes, schien diese Entdeckung in der Nähe Culiacáns ihn Lügen zu strafen. 370
Während die Federales und die Armee die Schlinge um Chapo enger zogen, bemerkten die Bewohner von Sinaloa, dass in ihren Wäldern etwas nicht stimmte. »Ich glaube, sie werden ihn erwischen«, sagte ein Bewohner Culiacáns Anfang August. »Es ist nur noch eine Frage der Zeit«, wusste der junge Mann, der behauptete, als Drogenkurier für Chapos Männer zu arbeiten. Seinen Big Boss kannte er zwar nicht, aber er fürchtete ihn. 371
General Sandoval und seine Männer hielten den Druck in ganz Sinaloa aufrecht. Eines Tages erhielten sie einen Tipp, Chapo wolle das Grab seines Sohnes Edgar besuchen, das sich in Jesús María befindet, der Stadt in der Nähe von Culiacán, wo der Junge geboren worden war.
Seit Edgars Tod im Jahr zuvor hatte man die Bewohner von Jesús María in Frieden gelassen. Sowohl aus Respekt vor den Toten als auch, weil niemand annahm, dass jemand aus der Kartellspitze einen Besuch riskieren würde. Doch am 8. August hatte General Sandoval seine Männer in der Gegend um das Mausoleum in Stellung gebracht, das sich noch im Bau befand. Entschlossen, Chapo diesmal nicht entkommen zu lassen, lagen sie vierundzwanzig Stunden auf der Lauer. Doch Chapo ließ sich nicht blicken.
Davon unbeeindruckt – und in vollem Vertrauen auf die Zuverlässigkeit seiner Quelle – schickte Sandoval zwei Helikopter zur Luftaufklärung in die Region und scheuchte seine Männer durch die kleine Stadt. Sie durchkämmten Haus für Haus, fanden aber niemanden.
Die Hubschrauber dagegen entdeckten zwei verdächtige Wagen, die in der Stadt herumfuhren. Am Ortsausgang versperrte man ihnen den Weg, die Soldaten umzingelten die Fahrzeuge und zerrten drei junge Männer nach draußen. Dann begann das Verhör. War Chapo in der Stadt? War
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