El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
und verstecke sich abwechselnd in den Bergen von Sinaloa und Durango. Er wechsle häufiger als früher seine Verstecke und reise mit nur einem Leibwächter, um keinen Verdacht zu erregen und nicht entdeckt zu werden. Manchmal setze er sich sogar selbst hinters Steuer – niemand würde einen Mann, der aussieht wie ein Bauer und einen Pick-up steuert, verdächtigen, ein Drogenbaron zu sein.
Ende 2010 war es über zwei Jahre her, dass Chapo zum letzten Mal in der Öffentlichkeit gesehen wurde. Es gab Gerüchte – die allerdings von der DEA dementiert wurden –, er habe Prostatakrebs. 404
»Er kann sich nicht zu lange an einem Ort aufhalten. Er kann vielleicht den Vormittag irgendwo verbringen, aber am Nachmittag muss er schon weiterziehen, weil es sich sonst herumspricht«, meinte ein mexikanischer Soldat in Culiacán. »Das ist ihm vom Leben geblieben. Er versucht, nicht getötet zu werden.« 405
Mit Ausnahme von El Mayo konnte Chapo jetzt niemandem mehr trauen.
So sind in Sinaloa noch drei echte Capos auf der Flucht: El Chapo, El Mayo und El Azul, der diskrete Berater, der sich immer im Hintergrund gehalten hatte. Es laufen die Wetten, wen es von diesen dreien zuerst erwischt und wer als Letzter übrig bleibt.
In Badiraguato beharren die Einheimischen darauf, dass Chapo, der wahre Boss der Bosse , niemals gefasst werden wird. 406
Und auch in Mexiko-Stadt gab der DEA-Mann schließlich zu, dass es vielleicht tatsächlich unmöglich sei, Chapo zur Strecke zu bringen.
»Ich bezweifle, dass er je erwischt wird.« 407
Postskriptum
Zum ersten Mal wurde mein Interesse für den Drogenkrieg im Jahr 2004 geweckt, als ich in Tijuana Hank Rhon interviewte. Doch damals war dieser Krieg noch eine rein mexikanische Geschichte – nichts im Vergleich zu der internationalen Top-Story, zu der er sich entwickeln sollte, als Calderón sein Amt antrat. Inzwischen beherrscht der mexikanische Drogenkonflikt regelmäßig die Schlagzeilen der internationalen Presse.
Die gesteigerte internationale Aufmerksamkeit gestattet es einerseits heute mehr Mexikanern, offener über den Drogenhandel zu sprechen als in der Vergangenheit. Andererseits lockt sie aber auch viele Gestalten ans Tageslicht, die neugierigen Journalisten alles Mögliche über den Drogenkrieg erzählen. Manchen kann man glauben, manchen, den meisten, definitiv nicht.
Ich habe mich schlicht bemüht, als Journalist so gut zu arbeiten, wie es mir möglich war, mir einen Weg durch die vertrauenswürdigen Quellen zu bahnen und meine Version von den gegenwärtigen Ereignissen in Mexiko zu erzählen.
Doch selbst der Umgang mit Pressematerial und offiziellen Erklärungen barg so seine Tücken. Oftmals widersprechen sich selbst die führenden mexikanischen Tageszeitungen Reforma , El Universal , Milenio und La Jornada schon bei den simpelsten Fakten, weil jede ihre eigene politische Agenda verfolgt und ihre eigenen Quellen benutzt. Im Buch habe ich versucht, mich bei historischen Fakten auf El Universal und Reforma zu verlassen und sie miteinander abzugleichen. La
Jornada und Milenio kamen zur Verwendung, wenn sie exklusiv über eine Geschichte berichteten. Zudem habe ich auf zahllose Artikel aus regionalen Tageszeitungen zurückgegriffen. Da ich von deren Exaktheit nicht völlig überzeugt bin und nicht bei allen Meldungen in der Lage war, sie eingehend zu überprüfen, habe ich sie nur benutzt, wenn sie eine signifikante Wahrheitswahrscheinlichkeit aufwiesen. So habe ich beispielsweise zahllose »Chapo-Sichtungen«, über die in diesen Blättern berichtet wurde, ohne mindestens einen Zeugen zu benennen, verworfen. Die meisten davon schienen vollständig aus der Luft gegriffen.
Auch die Erklärungen von PGR, Federales und Militär widersprechen sich häufig. Inzwischen verstehe ich General Sandovals Frust über den Austausch von Informationen.
Ich habe eine Reihe von Büchern verwendet, insbesondere die von Ricardo Ravelo, der mexikanischen Autorität in Verbrechensfragen. In den meisten Fällen dienten sie mir als Hintergrundmaterial. Als Quelle zur Schilderung spezifischer Ereignisse habe ich sie nicht benutzt, da ich die geradlinige Faktenschilderung der Zeitungen vorziehe. Dennoch kann ich diese Bücher all jenen, die sich für das organisierte Verbrechen in Mexiko interessieren, nur wärmstens empfehlen.
Wenn ausländische Journalisten versuchen, an echte Narcos oder auch nur an offizielle Stellen heranzukommen, stoßen sie oftmals auf eine Mauer des Schweigens.
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