Elantris
erweisen; schließlich war ein Kritikpunkt, der immer wieder gegen den Shu-Dereth angeführt wurde, dass Fjordeller bevorzugt wurden. Ein arelischer Priester konnte helfen zu beweisen, dass alle in Jaddeths Reich willkommen waren - selbst wenn die Fjordeller am allerwillkommensten waren.
Hrathen beglückwünschte sich selbst, solch ein nützliches Werkzeug geschaffen zu haben. Er war vollkommen zufrieden, bis Dilaf aus seiner Verbeugung hochblickte. Die Leidenschaft war immer noch in Dilafs Augen - doch etwas anderes ebenfalls. Ehrgeiz. Hrathen runzelte leicht die Stirn und fragte sich, ob er soeben manipuliert worden war oder nicht.
Ihm blieb keine andere Wahl. »Arteth, seid Ihr schon als jemands Odiv eingeschworen?«
Überraschung. Dilaf riss die Augen auf, während er zu Hrathen emporstarrte. Darin spiegelte sich Unsicherheit. »Nein, Mylord.«
»Gut. Dann werde ich Euch zu meinem machen.«
»Mylord ... ich bin natürlich Euer ergebenster Diener.«
»Ihr werdet mehr als das sein, Arteth«, sagte Hrathen, »wenn Ihr mein Odiv seid und ich Euer Hroden. Ihr werdet mir gehören, mit Herz und Seele. Wenn Ihr Jaddeth folgt, dann folgt Ihr ihm durch mich. Wenn Ihr dem Reich dient, dann unter mir. Was immer Ihr denkt, tut oder sagt, wird meiner Führung unterliegen. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
Feuer loderte in Dilafs Augen. »Ja«, zischte er. Der Eifer des Mannes verbot es ihm, ein solches Angebot abzulehnen. Obwohl sich nichts an seinem niederen Rang als Arteth ändern würde, würden Dilafs Macht und Ansehen als Odiv eines Gyorns enorm wachsen. Er würde Hrathens Sklave sein, wenn dieses Sklavendasein ihn voranbrachte. Es war eine sehr fjordellische Handlungsweise - Ehrgeiz war das einzige Gefühl, das Jaddeth ebenso bereitwillig hinnahm wie Frömmigkeit.
»Gut«, sagte Hrathen. »Dann lautet dein erster Befehl, dem Priester Fjon zu folgen. Er sollte in diesem Augenblick an Bord des Schiffes nach Fjorden gehen. Du sollst sicherstellen, dass dem auch so ist. Sollte Fjon aus irgendeinem Grund von Bord gehen, bringe ihn um.«
»Ja, mein Gyorn.« Dilaf eilte aus dem Zimmer. Endlich hatte er ein Ventil für seinen Eifer gefunden. Hrathen würde fortan lediglich dafür Sorge tragen müssen, dass dieser Eifer in die richtigen Bahnen gelenkt wurde.
Nachdem der arelische Mann fort war, stand Hrathen einen Moment lang da. Dann schüttelte er den Kopf und drehte sich zu seinem Schreibtisch um. Die Schriftrolle lag immer noch dort, wo sie Fjon aus dessen unwürdigen Fingern geglitten war. Lächelnd griff Hrathen danach, wobei er das Schriftstück voll Ehrfurcht berührte. Er war kein Mann, der sich an Besitztümern ergötzte; er hatte weitaus Größeres im Sinn als die bloße Anhäufung nutzlosen materiellen Tands. Allerdings fiel Hrathen gelegentlich ein so einzigartiger Gegenstand in die Hände, dass allein schon das Bewusstsein, ihn zu besitzen, einen köstlichen Schatz darstellte. Solch einen Gegenstand besaß man nicht aufgrund seines Nutzens oder um andere damit zu beeindrucken, sondern weil sein Besitz ein Privileg war. Die Schriftrolle war ein solcher Gegenstand.
Der Wyrn hatte sie vor Hrathens Augen eigenhändig geschrieben. Es war eine Offenbarung, die direkt von Jaddeth kam; heilige Schrift, die für einen einzigen Mann bestimmt war. Nur wenige Leute begegneten Jaddeths Gesalbtem je persönlich, und selbst die Gyorne erhielten selten Privataudienzen. Seine Befehle direkt von des Wyrns Hand zu empfangen ... Eine erlesenere Erfahrung gab es nicht.
Hrathen ließ erneut den Blick über die heiligen Worte schweifen, obwohl längst jedes Detail in seinem Gedächtnis verankert war.
Siehe die Worte Jaddeths, durch Seinen Diener Wyrn Wulfden den Vierten, Kaiser und König.
Hohepriester und Sohn, dein Wunsch sei dir gewährt. Gehe hin zu den heidnischen Völkern des Westens und spreche ihnen meine letzte Warnung aus, denn obschon mein Reich ewig währt, wird meine Geduld bald zu Ende sein. Nicht viel länger werde ich in einem Grab aus Fels schlummern. Der Tag des Reiches steht unmittelbar bevor, und mein Ruhm soll bald erglänzen wie eine zweite Sonne, die von Fjorden her erstrahlt.
Die heidnischen Nationen Arelon und Teod sind nun schon viel zu lange schwarze Narben auf meinem Land. Dreihundert Jahre lang haben meine Priester inmitten derjenigen gedient, die den Makel von Elantris tragen, und nur wenige haben ihren Ruf vernommen. Wisse dies, Hohepriester: Meine gläubigen Krieger sind bereit und warten nur das
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