Elantris
gnadenlos gegenüber Kaufleuten auf der Durchreise.«
In der Mitte von Roials Grundstück befand sich eine Wiese, auf der ein hölzerner Tanzpavillon errichtet worden war. Heckengesäumte Wege führten von dem Pavillon weg zu frisch blühenden Blumenbeeten, von Brücken überspannten Teichen und kunstvollen Statuen. Der Pavillon selbst war von Fackeln umgeben, die ihn hell erleuchteten, aber die natürlich vor der Mondfinsternis gelöscht werden würden. Doch wenn alles nach Plan verlief, würde Sarene nicht mehr da sein, um sich das Spektakel anzusehen.
»Der König!«, rief Sarene. »Ist er hier?« »Selbstverständlich.« Roial deutete auf einen umzäunten Garten mit Skulpturen an der einen Seite des Pavillons. Im Garteninnern konnte Sarene undeutlich die Gestalt Iadons ausmachen, Eshen an seiner Seite.
Sarene entspannte sich. Um Iadon ging es bei der ganzen nächtlichen Veranstaltung. Natürlich hatte der Stolz des Königs es nicht zugelassen, dass er einen Ball verpasste, den einer seiner Herzöge veranstaltete. Da er schon an Telriis Fest teilgenommen hatte, würde er sich auch Roials auf keinen Fall entgehen lassen.
»Was könnte der König nur mit den Plänen der kleinen Sarene zu tun haben?«, sinnierte Roial. »Vielleicht hat sie jemanden beauftragt, seine Gemächer in seiner Abwesenheit zu durchsuchen. Ihr Seon vielleicht?«
Doch in diesem Augenblick schwebte Ashe nicht weit entfernt in ihr Blickfeld. Sarene warf Roial einen listigen Blick zu.
»Na gut, vielleicht nicht das Seon«, sagte Roial. »Das wäre ohnehin zu offensichtlich.«
»Mylady«, sagte Ashe und schwebte zur Begrüßung auf und ab, als er sich ihnen näherte.
»Was hast du herausgefunden?«, erkundigte sich Sarene. »Die Köchin hat heute Nachmittag tatsächlich eine Serviererin verloren, Mylady. Es wird behauptet, sie sei weggelaufen, um bei ihrem Bruder zu sein, der neulich in eines der königlichen Herrenhäuser in der Provinz abkommandiert worden ist. Der Mann schwört allerdings, sie nicht zu Gesicht bekommen zu haben.«
Sarene runzelte die Stirn. Vielleicht hatte sie die Köchin und deren Umgebung vorschnell verurteilt. »Na schön. Gute Arbeit.«
»Worum ging es da eben?«, fragte Roial misstrauisch. »Nichts«, sagte Sarene, diesmal völlig aufrichtig. Doch Roial nickte wissend.
Das Problem mit dem Gescheitsein ist, dachte Sarene seufzend, dass alle Welt davon ausgeht, man führe ständig etwas im Schilde.
»Ashe, ich möchte, dass du den König im Auge behältst«, sagte Sarene, der Roials neugieriges Lächeln nicht entging. »Wahrscheinlich wird er die meiste Zeit im exklusiven Teil der Festlichkeit verbringen. Sollte er sich entschließen, seinen Aufenthaltsort zu wechseln, gib mir sofort Bescheid.«
»Sehr wohl, Mylady«, sagte Ashe. Er schwebte von dannen und bezog unauffällig neben einer Fackel Stellung, wo das Licht der Flamme sein eigenes Leuchten verdecken würde.
Wieder nickte Roial. Offensichtlich amüsierte er sich königlich bei dem Versuch, Sarenes Pläne zu entschlüsseln.
»Habt Ihr Lust, Euch der privaten Versammlung des Königs anzuschließen?«, fragte Sarene, um den Herzog abzulenken.
Roial schüttelte den Kopf. »Nein. So gut es mir täte zuzusehen, wie sich Iadon in Eurer Gegenwart windet; aber ich habe nie die Art und Weise gebilligt, wie er sich von den Übrigen distanziert. Dank Euch bin ich der Gastgeber, und ein Gastgeber sollte sich unters Volk mischen. Abgesehen davon wird es unerträglich sein, sich heute Abend in Iadons Nähe aufzuhalten: Er sucht einen Ersatz für Baron Edan, und jeder niedere Adelige auf dem Fest wird sich um den Titel bemühen.«
»Ganz wie Ihr wünscht«, sagte Sarene und ließ sich von Roial zu dem offenen Pavillon führen, in dem eine Gruppe Musikanten spielte und das eine oder andere Paar tanzte, obwohl die meisten in Gespräche vertieft am Rand standen.
Als Roial vor sich hin lachte, folgte Sarene seinem Blick. Shuden und Torena wirbelten in der Mitte der Tanzfläche, völlig voneinander gefesselt.
»Worüber lacht Ihr?«, fragte Sarene und sah dem Mädchen mit den feuerroten Haaren und dem jungen Jindo zu.
»In meinem Alter ist es eine der großen Freuden zu sehen, wie sich junge Männer als Heuchler erweisen«, sagte Roial mit einem boshaften Lächeln. »Nachdem er jahrelang geschworen hat, er würde sich niemals einfangen lassen - nach unzähligen Bällen, bei denen er sich beschwerte, dass die Frauen um ihn herumscharwenzelten -, sind nun sein Herz und sein Geist
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