Elantris
genauso weich geworden wie bei jedem anderen Mann auch.«
»Ihr seid ein böser alter Mann, Euer Gnaden.«
»Und so soll es auch sein«, erklärte Roial. »Böse junge Männer sind banal, und nette alte Männer sind langweilig. Mo ment, ich werde uns etwas zu trinken besorgen.«
Der Herzog schlenderte davon, und Sarene blieb nichts anderes übrig, als dem jungen Paar beim Tanzen zuzusehen. Der Blick in Shudens Augen war so ekelhaft verträumt, dass sie sich abwenden musste. Vielleicht waren Daoras Worte richtiger gewesen, als Sarene lieb war. Sarene war eifersüchtig, auch wenn sie sich nie Hoffnungen auf eine Romanze mit Shuden gemacht hatte. Doch seit ihrer Ankunft in Arelon war Shuden einer ihrer eifrigsten Anhänger gewesen. Es war nicht einfach mit anzusehen, wie er all seine Aufmerksamkeit einer anderen schenkte, selbst wenn dies aus einem ganz anderen Beweggrund geschah.
Außerdem gab es da noch einen anderen Grund; einen tiefer liegenden, ehrlicheren Grund. Sie war eifersüchtig auf den Blick in Shudens Augen. Sie war neidisch darauf, dass es ihm freistand, um jemanden zu werben, sich zu verlieben und sich ganz dem betäubenden Hochgefühl der Liebe hinzugeben.
Das waren Ideale, von denen Sarene seit ihrer frühen Jugend geträumt hatte. Mit zunehmendem Alter war ihr klar geworden, dass sie derlei Dinge niemals erleben würde. Anfangs hatte sie rebelliert und ihr uncharmantes Wesen verflucht. Da sie wusste, dass sie den Männern bei Hofe Angst machte, hat te sie sich kurzzeitig gezwungen, eine unterwürfigere, sanftere Art anzunehmen. Das Ergebnis war die Verlobung und beinahe die Hochzeit mit einem jungen Grafen namens Graeo gewesen.
Sie erinnerte sich immer noch voll Mitleid an den Mann, oder vielmehr Jüngling. Nur Graeo war gewillt gewesen, es mit der neuen, ruhigeren Sarene zu versuchen und Gefahr zu laufen, sich dem Gespött der anderen Männer preiszugeben. Sie hatten nicht aus Liebe zueinander gefunden, doch Sarene hatte Graeo trotz dessen schwacher Willenskraft gemocht. Er hatte eine kindliche Scheu an sich gehabt; den übertriebenen Drang, das Richtige zu tun und in einer Welt erfolgreich zu sein, die die meisten Leute besser verstanden als er selbst.
Letzten Endes hatte sie die Verlobung gelöst. Nicht weil sie wusste, dass es sie in den Wahnsinn getrieben hätte, an der Seite des dümmlichen Graeo zu leben, sondern weil ihr klar geworden war, dass sie ungerecht handelte. Sie hatte Graeos Naivität ausgenützt, denn sie wusste nur zu gut, dass er sich auf etwas einließ, was ihm schnell über den Kopf wachsen würde. Es war besser für ihn, den Spott ertragen zu müssen, weil er in letzter Minute einen Korb bekommen hatte, als sein restliches Leben mit einer Frau zu verbringen, die ihn schier ersticken würde.
Diese Entscheidung hatte ihr Schicksal besiegelt, als unverheiratete alte Jungfer zu enden. Es gingen Gerüchte um, sie habe Graeo absichtlich zum Narren halten wollen, und der Jüngling hatte peinlich berührt den Hof verlassen, um die nächsten drei Jahre wie ein Einsiedler abgeschieden für sich auf seinen Ländereien zu hausen. Danach hatte es niemand mehr gewagt, der Tochter des Königs den Hof zu machen.
Zu dem Zeitpunkt war sie aus Teod geflohen und hatte sich mit Leib und Seele in die Arbeit beim diplomatischen Korps ihres Vaters gestürzt. Sie hatte in sämtlichen größeren Städten Opelons als Gesandte fungiert, von Fjorden selbst bis hin zur svordischen Hauptstadt Seraven. Selbstverständlich war es verlockend gewesen, nach Arelon zu reisen, aber ihr Vater hatte auf seinem Verbot bestanden. Er gestattete es kaum seinen Spionen, das Land zu betreten, von seiner einzigen Tochter ganz zu schweigen.
Trotzdem hatte sie es zu guter Letzt geschafft, dachte Sarene seufzend. Es war die Sache wert gewesen, entschied sie. Ihre Verlobung mit Raoden war eine gute Idee gewesen, egal wie unglücklich das Ganze ausgegangen war. Eine Zeit lang, als sie miteinander in Briefkontakt standen, hatte sie sich gestattet, wieder Hoffnung zu schöpfen. Das Versprechen war letzten Endes nicht wahr geworden, aber sie hatte immer noch die Erinnerung an jene Hoffnung. Das war mehr, als sie je erwartet hätte.
»Ihr seht aus, als sei soeben Euer bester Freund gestorben«, stellte Roial fest, der zurückkehrte und ihr einen Becher mit blauem jaadorianischem Wein reichte.
»Nein, bloß mein Ehemann«, seufzte Sarene.
»Aha.« Roial nickte verständnisvoll. »Vielleicht sollten wir woanders hingehen - an einen
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