Elantris
zu entwerfen. Ihr stand der Sinn gewiss nicht danach, einen ganzen Abend mit albernen Lustbarkeiten zu vergeuden, selbst wenn ein Ziel da mit verbunden war.
»Ihr wirkt, als sei Euch nicht ganz wohl in Eurer Haut, Eure Hoheit«, sagte Roial.
»Ich habe mich noch nicht ganz von den Ereignissen vor ein paar Tagen erholt, Euer Gnaden«, sagte sie und lehnte sich in ihrem Sitz zurück.
»Der Tag war ziemlich überwältigend«, pflichtete er ihr bei. Dann steckte er den Kopf aus dem Fenster der Kutsche und betrachtete abschätzend den Himmel. »Es ist ein wunderbarer Abend für unser Vorhaben.«
Sarene nickte geistesabwesend. Es war ihr mittlerweile gleich gültig, ob man die Mondfinsternis würde sehen können oder nicht. Seit ihrer Schmährede gegen Iadon hatte der gesamte Hof angefangen, einen Bogen um sie zu machen. Statt wütend zu reagieren, wie Kiin es vorhergesagt hatte, mied Iadon sie le diglich. Jedes Mal, wenn Sarene ein Zimmer betrat, wandten die Anwesenden die Köpfe ab oder senkten den Blick. Es war, als sei sie ein Ungeheuer - eine rachsüchtige Svrakiss, die gekommen war, ihre Mitmenschen zu foltern.
Mit der Dienerschaft stand es nicht besser. Waren die Dienstboten früher schon unterwürfig gewesen, so schreckten sie nun regelrecht vor ihr zurück. Ihr Abendessen war zu spät serviert worden. Die Köchin bestand zwar darauf, es läge daran, dass ihr eine Serviererin davongelaufen sei, doch Sarene war sich sicher, dass es nur passiert war, weil sich niemand dem Zorn der gefürchteten Prinzessin hatte aussetzen wollen. Die ganze Situation machte Sarene wütend. Warum im gesegneten Namen Domis, fragte sie sich, fühlt sich jeder in diesem Land so bedroht von einer energischen Frau?
Natürlich musste sie selbst einräumen, dass sie diesmal mit dem, was sie dem König angetan hatte, zu weit gegangen war. Sarene zahlte lediglich den Preis für ihren Wutausbruch.
»Also gut, Sarene«, erklärte Roial. »Das reicht jetzt.«
Sarene führ zusammen und blickte zu dem strengen Gesicht des betagten Herzogs auf. »Verzeihung, Euer Gnaden?«
»Ich habe gesagt, es reicht. Nach allem, was man so hört, habt Ihr die letzten drei Tage schmollend auf Eurem Zimmer verbracht. Es ist mir egal, wie beunruhigend dieser Angriff in Elantris gewesen sein mag. Ihr müsst darüber hinwegkommen, und zwar schnell. Wir haben meine Villa beinahe erreicht.«
»Verzeihung?«, wiederholte sie völlig verblüfft.
»Sarene«, fuhr Roial in sanfterem Tonfall fort, »wir haben Euch nicht gebeten, unsere Anführerin zu werden. Ihr habt Euch bei uns eingeschmuggelt und die Macht an Euch gerissen. Da Ihr das nun getan habt, könnt Ihr uns nicht einfach im Stich lassen, bloß weil man Eure Gefühle verletzt haben mag. Wenn man Autorität übernimmt, muss man gewillt sein, jederzeit die Verantwortung dafür zu tragen - selbst wenn einem nicht sonderlich danach ist.«
Die weisen Worte des Herzogs brachten Sarene aus der Fassung. Beschämt senkte sie den Blick. »Es tut mir leid.«
»Ach, Prinzessin«, sagte Roial, »wir haben in den letzten Wochen angefangen, so sehr auf Euch zu bauen. Ihr habt Euch in unsere Herzen geschlichen und bewirkt, was niemand sonst, noch nicht einmal ich selbst, geschafft hätte: Ihr habt uns vereint. Shuden und Eondel verehren Euch geradezu, Lukel und Kiin stehen euch wie unbewegliche Felsen zur Seite, ich bin kaum in der Lage, Euren raffinierten Plänen zu folgen, und selbst Ahan beschreibt Euch als die reizendste junge Frau, der er je begegnet ist. Lasst uns jetzt nicht im Stich. Wir brauchen Euch!«
Mit einer leichten Röte im Gesicht schüttelte Sarene den Kopf, als die Kutsche in Roials Auffahrt einbog. »Aber was bleibt noch, Euer Gnaden? Ganz ohne mein raffiniertes Zutun ist der derethische Gyorn ausgeschaltet worden, und allem Anschein nach hat Iadon klein beigegeben. Mir scheint, die Zeit der Gefahr ist vorüber.«
Roial zog eine buschige weiße Augenbraue empor. »Vielleicht. Aber Iadon ist klüger, als wir ihm für gewöhnlich zugestehen. Der König besitzt ein paar überwältigende wunde Punkte, aber er war vor zehn Jahren durchaus imstande, die Herrschaft an sich zu reißen, und die ganze Zeit über hat er dafür gesorgt, dass sich die Adeligen untereinander an die Kehle gehen. Und was den Gyorn betrifft...«
Roial blickte aus dem Fenster der Kutsche in Richtung eines Gefährts, das neben ihnen zum Stehen kam. Im Innern saß ein kleiner, ganz in Rot gekleideter Mann. Sarene erkannte in ihm den jungen aonischen
Weitere Kostenlose Bücher