Elantris
ihren ganzen Körper als Bestandteil des Geschichtenerzählens.
Seidenstoffe und Federn flatterten, während Kaloo berichtete, wie überrascht er
gewesen sei, die Kunde von König Iadons Tod und einem neuen König auf dem Thron
zu vernehmen.
»Vielleicht hätte Mylord Lust, sich uns anzuschließen«, fiel Sarene Kaloo ins Wort.
Ein derart unhöfliches Verhalten war häufig die einzige Möglichkeit, mit einem Dula ins
Gespräch zu kommen.
Kaloo blinzelte verdutzt. »Mich Euch anzuschließen?«, fragte er stockend, woraufhin
sein Wortschwall vorübergehend verebbte. Sarene hatte das Gefühl, dass er leicht aus
seiner Rolle fiel, während er sein weiteres Vorgehen überdachte. In ihr wuchs die
Gewissheit, dass dieser Mann nicht das war, was er zu sein vorgab. Glücklicherweise
war ihr eine Methode eingefallen, ihn auf die Probe zu stellen.
»Selbstverständlich, Mylord«, sagte Sarene. »Die Bewohner Duladels sollen die
besten Fechter weit und breit sein, besser noch als die Jaadorianer. Ich bin mir sicher,
die Damen hier würden nur zu gern einem wahren Meister seines Faches zusehen.« »Ich fühle mich geehrt, Eure Gnädige Hoheit«, setzte Kaloo an, »aber das hier ist
wohl kaum die passende Kleidung ...«
»Bloß eine kurze Runde, Mylord«, sagte Sarene, die nach ihrer Tasche griff und ihre
beiden besten Syren herausgleiten ließ. Es handelte sich um Exemplare, die keine stumpfen Enden aufwiesen, sondern echte Spitzen. Gekonnt ließ sie eine Syre durch
die Luft peitschen, während sie den Dula anlächelte.
»Na gut«, sagte der Dula und warf seinen Hut beiseite. »Eine Runde also.« Sarene hielt inne und versuchte abzuschätzen, ob er nur so tat. Sie hatte nicht
wirklich vorgehabt, gegen ihn zu kämpfen, ansonsten hätte sie nicht die gefährlichen
Klingen ausgewählt. Nach kurzem Nachdenken warf sie ihm mit einem gelassenen
Schulterzucken eine der Waffen zu. Wenn er nur so tat, würde sie ihn auf sehr peinliche
- und eventuell schmerzvolle - Weise bloßstellen.
Kaloo zog sich die leuchtend türkisfarbene Jacke aus, unter der ein grünes
Rüschenhemd zum Vorschein kam. Dann nahm er zu Sarenes Überraschung die
Fechtgrundstellung ein, die Hand hinter sich erhoben, die Spitze seiner Syre zum
Angriff emporgestreckt.
»Also gut«, sagte Sarene und griff an.
Kaloo wich der heftigen Attacke rückwärts aus und wirbelte um den verblüfften
Herzog Roial, während er Sarenes Hiebe parierte. Aus den Reihen der Frauen
erklangen etliche ängstliche Schreie, als Sarene sich einen Weg durch sie
hindurchbahnte und mit ihrer Klinge auf den angreifenden Dula einfocht. Bald schon
hatte sie das Sonnenlicht erreicht, sprang von dem hölzernen Podium und landete
barfuß im weichen Gras.
So schockierend die Frauen das unschickliche Gefecht auch fanden, sie ließen sich
keinen einzige Degenhieb entgehen. Sarene konnte sehen, wie sie Kaloo und ihr
folgten, als die beiden Kontrahenten sich auf den flachen Platz in der Mitte von Roials
Gartenanlagen zubewegten.
Der Dula war überraschend gut, aber er war kein Meister. Er verbrachte zu viel Zeit
damit, ihre Angriffe zu parieren, offensichtlich zu nicht viel mehr in der Lage, als sich zu
verteidigen. Wenn er wirklich zur duladenischen Aristokratie gehörte, war er einer der
schlechteren Fechter in diesen Kreisen. Sarene hatte ein paar Dulas getroffen, die
schlechter als sie waren, aber etwa drei von vier Adeligen waren in der Lage, sie ohne
Weiteres zu schlagen.
Kaloo gab seine teilnahmslose Haltung auf und richtete all seine Aufmerksamkeit
darauf, sich nicht von Sarenes Syre in Scheiben schneiden zu lassen. Sie überquerten
den gesamten Rasenplatz, da Kaloo bei jedem ihrer Hiebe ein paar Schritte zurückwich.
Er wirkte überrascht, als er auf Stein anstatt auf Gras trat. Sie hatten den Brunnen
erreicht, das Herzstück von Roials Gartenanlagen.
Sarene griff immer heftiger an, während Kaloo auf die steinernen Stufen zustolperte.
Sie trieb ihn rückwärts, bis sein Schenkel gegen den Brunnen stieß. Er war in die Enge
getrieben - jedenfalls dachte sie das. Verblüfft sah sie zu, wie der Dula ins Wasser
sprang. Mit einem Bein fuhr er durch das Wasser und ließ eine Fontäne in Sarenes
Richtung durch die Luft stieben. Dann sprang er rechts von ihr aus dem Brunnen. Sarenes Syre stieß in das Wasser, als Kaloo neben ihr durch die Luft wirbelte. Sie
spürte, wie die Spitze ihres Degens etwas Weiches durchdrang, und der Adelige stieß
einen leisen, beinahe unhörbaren Schmerzensschrei aus. Sarene
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