Elben Drachen Schatten
dieser Lords wie ein kleiner König! Nicht mehr lange und es wird Anarchie ausbrechen! Einer wird gegen den anderen kämpfen!"
"Oh, Freund Norjan, ich glaube, jetzt übertreibt Ihr ein wenig! Von Anarchie kann noch lange keine Rede sein!"
Norjans Züge waren jetzt sehr ernst.
"Bis zur Anarchie wird es vielleicht gar nicht kommen, denn zuvor werden uns die Remurier in ihr Reich einverleiben. Aber gerade um das zu verhindern, müssen wir einig sein."
Kryll kratzte sich am Kinn.
Er schien unschlüssig darüber zu sein, was getan werden sollte.
Im Grunde habe ich Norjans Ideen schon längst akzeptiert! dachte der junge König bei sich.
Dann meinte er: "Ich werde in jedem Fall auf Widerstand stoßen, wenn ich meine Entscheidungen in dieser Frage getroffen habe. Was werden die Lords sagen, die mit meiner Entscheidung nicht zufrieden sind? Womöglich erklären sie dem Königtum den offenen Krieg! Lasse ich aber den Rat entscheiden, so trage nicht ich die Verantwortung, sondern die Lords selbst!"
Norjan dachte: Er hat Angst davor, Verantwortung zu tragen. Eine Eigenschaft, die eines Herrschers unwürdig ist...
"Jemand, der keine Verantwortung zu tragen bereit ist, braucht nicht damit zu rechnen, jemals mächtig zu werden!" erklärte der Ritter dann kalt.
Den König erschak die Härte, mit der diese Worte ausge- sprochen wurden.
Kryll erkannte, daß er von einem Mann wie Norjan noch viel lernen konnte.
Norjan wäre ein besserer König als ich! durchfuhr es ihn. Er war von seinen eigenen Gedanken überrascht. Ich darf nicht an mir zweifeln! rief es in ihm.
"Was würdet Ihr also vorschlagen, Norjan?" erkundigte sich Kryll dann. "Ich bin Euch ganz Ohr!"
Die Stimme des Königs klang leise, vielleicht auch ein wenig zaghaft.
Er fühlte sich seiner Haut nicht so recht wohl.
"Ich würde ruhig auf einen Krieg mit Remur ankommen lassen, mein König!" erklärte nun Norjan im Brustton der Überzeugung.
Der König und der Ritter hatten nun eine Bank im Freien erreicht und setzten sich.
"Ein Krieg?" Die Stimme des Könis klang besorgt. "Könnte ein Krieg meine Position nicht auch erheblich schwächen?"
"Ganz im Gegenteil! Wenn der Krieg erst da ist, werden die Lords schon zusammenfinden, dessen bin ich mir sicher! Sie wissen genau, daß sie einzeln nicht den Hauch einer Chance gegen die Remurier haben. Deshalb werden sie wohl oder übel zu Euch halten, mein König."
"Bleibt nur zu hoffen, daß die Lords ebenso klug sind, wie Ihr es seid, Freund Norjan. Was geschieht, wenn sie mir sogar im Angesicht des Krieges die Loyalität verweigern? Was dann?"
Norjan machte ein unbestimmtes Gesicht.
"Ein gewisses Risiko müssen wir in Kauf nehmen, da geht kein Weg dran vorbei! Wenn tatsächlich der von Euch geschilderte Fall eintreten sollte, so müssen wir dann überlegen, was zu tun ist. Aber jetzt sollte uns das nicht belasten." Er machte eine Geste mit der Rechten. "Wer weiß, mein König! Vielleicht kommt es ja gar nicht zum Krieg! Vielleicht geben die Remurier doch noch klein bei und alles war nichts weiter als Donnergrollen ohne Blitz. Wer kann das heute schon voraussagen?"
Die Remurier werden nicht nachgeben, dachte der König. Wie konnten sie auch? Sollten sie hinnehmen, wie ihre Städte geplündert wurden? Wie praganische Piraten ihre Schiffe überfielen? Nein, für die Remurier gab es keinen anderen Weg, als den, den Graf Yakurul gegenüber König Kryll aufgezeigt hatte.
"Den Rat der hohen Lords von Pragan werden wir auf jeden Fall nicht einberufen!" Norjans Stimme klang fest und bestimmt.
"Warum nicht? Nichteinmal, um den hohen Herren meine Entscheidung mitzuteilen?"
"Nichteinmal dazu. Euren Entschluß werdet Ihr ihnen durch Boten schriftlich überbringen!"
"Warum das?"
"Nun, mein König, es ist nicht gut, wenn die Lords alle an einem Ort sitzen. Sie können sich dann untereinander zusammentun und möglicherweise Gegenmaßnahmen aushecken! Ihr wißt so gut wie ich, daß Ihr nicht der erste König von Pragan wärt, der einer Intrige eben jener Lords zum Opfer fiele, die ihn kurz zuvor noch zu ihrem Anführer gewählt hatten!"
Kryll bedachte Norjan mit einem nachdenklichen Blick.
Er ist fast wie ein Vater zu mir! dachte er.
"Wir wollen hoffen, daß alles so kommt, wie Ihr Euch das gedacht habt, Norjan!" sagte er dann langsam. Ein Schuß von Traurigkeit und Resignation lag in der Stimme des Königs - etwas, das auch Norjan keineswegs entging.
"Ich kann Euch verstehen, Kryll! Es ist nicht gerade erfreulich, ein
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