Elben Drachen Schatten
in sich gekehrt, völlig dem hier und jetzt entrückt. Seine Züge wurden weicher, verträumter.
Was sieht er jetzt vor seinem inneren Auge, ging es Kirad durch den Kopf. Irgendetwas Schöneres als diese Welt muss es sein, was bei Ork-Gott Elbenfolterer? Vielleicht, so dachte Kirad weiter, vielleicht stellt er sich jetzt die Pracht des alten Ta-Tekem vor, dieses sagenumwobenen Reiches, bei dem sich der Orks nicht einmal sicher war, ob es nicht vielleicht nur der Fantasie eines Elbenoidischen Fabelerzählers entsprang.
*
Die Nacht brach herein.
Als fahles Oval, einem gewaltigen Auge gleich, stand der Mond am Himmel. Ein leichter Wind fuhr über die Schilffelder, die die Ufer im Deltagebiet des Jasabil säumten.
Es raschelte.
Eigenartige Rufe und Schreie, wohl zumeist tierischer Herkunft, erfüllten die Nacht.
Die Männer der ORKZAHN ruderten flussaufwärts.
Ammeet el-Auri befand sich am Bug. In schlechtem Elbinga brüllte er seine Anweisungen in Richtung des Steuermanns. Der Elbenoide schien sich tatsächlich gut in den verschiedenen sich oft verzweigenden Seitenarmen des Jasabil auszukennen, wusste welche Abzweigungen ein Schiff wie die ORKZAHN nehmen konnte ohne Gefahr zu laufen dabei aufzusetzen und stecken zu bleiben. Dämmerung setzte schließlich ein, legte sich wie grauer Spinnweben über das Flussdelta.
Auf den von Schilf umsäumten Inseln in der Flussmündung stand das Getreide. Hin und wieder sahen Kirad Kiradssohn Elbenschlächter und seine Männer Elbenoidische Bauern bei der Arbeit.
"Der Jasabil ist wie eine Lebensader für dieses Land", sagte An-Shar. "Und so ist es schon seit Tausenden von Jahren. Westlich und östlich dieses großen Stroms gibt es nur einen schmalen Streifen fruchtbaren Landes, dahinter die Wüste."
"Wie weit werden wir diesen Fluss hinaufrudern müssen?", fragte Kirad Kiradssohn, nachdem er den Magier einige Augenblicke lang nachdenklich gemustert hatte.
Ein Lächeln erschien in An-Shars Gesicht.
"Hältst du mich wirklich für so dumm, dass ich dir das jetzt schon sage, Barbar?"
"Warst du es nicht, der gesagt hat, wir wären Partner?"
"Und warst du es nicht, der mich darauf hinwies, ich sei nach wie vor ein Gefangener?"
"Was sollen diese Spitzfindigkeiten?", grollte Kirad. "Ich dachte, wir hätten ein gemeinsames Ziel?"
"Trotzdem ist es vielleicht besser, wenn ich meine kleinen Geheimnisse für mich behalte", erwiderte An-Shar. "Zu meiner eigenen Sicherheit, wenn du verstehst, was ich meine, Kapitän."
Traue ihm nicht, ging es Kirad durch den Kopf. Dieser Mann spielt sein eigenes Spiel. Denke immer daran!
Schließlich wurde es vollkommen dunkel und eine Weiterfahrt war nicht möglich. Die Gefahr, dass die ORKZAHN bei diesen Sichtverhältnissen in Untiefen geriet, war einfach zu groß und so ankerte sie schließlich.
Am nächsten Morgen wurde die Fahrt flussaufwärts fortgesetzt. Etwa zur Mittagszeit erreichten sie den Hafen Chelha, der am Westufer des Jasabil gelegen war.
Hunderte von Einwohnern standen am Ufer. Ihr Stimmengewirr übertönte die Laute der Vögel, die ansonsten im Delta-Gebiet die vorherrschende Geräuschkulisse darstellten.
Sie sahen zu wie sich die Ruderblätter regelmäßig in das dunkle Wasser des Jasabil senkten und sich die ORKZAHN langsam flussaufwärts bewegte. Die Strömung war hier recht stark. Die Männer mussten sich ziemlich kräftig in die Riemen legen.
"Schwer zu sagen, warum diese Leute dort stehen und uns angaffen, als wären wir exotische Tiere", murmelte Kirad.
"Vermutlich ist die Kunde über den Frevel, den ich in den Augen dieser Menschen begangen habe, uns vorausgeeilt", sagte An-Shar.
Kirad lachte.
"Mit anderen Worten, du würdest mir empfehlen nicht im Hafen von Chelha einzulaufen."
"In der Tat", nickte An-Shar. Seine Augen bekamen wieder jenen abwesenden Ausdruck, den Kirad schon einmal an ihm bemerkt hatte.
"Viele Zeitalter ist es her", murmelte er, "da lebte hier ein zivilisiertes Volk mit erhabenen Göttern, nur das ist lange vorbei und das, was du jetzt hier siehst, Barbar, ist nichts weiter als der blasse Abglanz dessen, was das alte Reich Ta-Tekem einst ausgemacht hat."
"Du sprichst darüber als hättest du selbst die Tage noch erlebt, als jenes Reich in voller Blüte stand", meinte Kirad. In seinem Tonfall schwang eine deutliche Portion Spott mit.
"Und wenn es so wäre?", murmelte An-Shar. "Was würde das für dich einen Unterschied machen?" Er machte eine ruckartige Bewegung, blickte Kirad dann offen an.
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