Elben Drachen Schatten
Reich muss etwas geblieben sein. Und vielleicht ist dies ein Hinweis. Eine Botschaft, die uns warnen soll.«
»Nein, Vater«, widersprach Magolas. »Dieser Axtkrieger war eine Kreatur, die töten wollte. Was ihn davon abgehalten hat, weiß ich nicht. Ebenso wenig wie ich eine Antwort darauf habe, weshalb er so plötzlich verschwand.«
»Ich werde mit Brass Shelian darüber sprechen und mich beraten lassen«, erklärte König Keandir. »Mit ihm und …« Er stockte plötzlich.
»Ihr könnt den Namen meines Bruders durchaus aussprechen, Vater«, sagte Magolas, und der scharfe Unterton in seinen Worten überraschte ihn selbst. »Er ist der größte lebende Elbenmagier. Dass Ihr ihn um Rat fragt, ist natürlich und verletzt mich nicht.«
Einige Tage später suchte König Keandir seinen Sohn Andir in dessen Bibliothek auf. Tausende von edlen Folianten waren dort zu finden, dazu noch viele uralte Schriftrollen. Das Gros dieser Rollen war in der Alten Zeit von Athranor entstanden, aber manche waren sogar noch älter, sodass ihre Ursprünge in der Vorzeit des Elbengeschlechts zu finden waren. Andir war schon seit frühester Jugend ein leidenschaftlicher Sammler von Schriften.
Als König Keandir den Raum betrat, dessen Wände bis unter die Decke mit Regalen voll gestellt waren und der durch einfache Elbenmagie vollkommen staubfrei war, saß Andir in seiner weißen Kutte aus Elbenzwirn an einem großen, mit Schnitzereien in elbischem Stil versehenen Tisch. Genau genommen war es elbianitischer Stil, in dem diese Schnitzereien gehalten waren. Viele Athranor-Geborene – wie auch manche Seegeborenen – waren der Meinung, dass sich das Schnitzhandwerk der in Elbiana zur Welt gekommenen Elben nicht mit den Kunstwerken der Alten Zeit messen konnte. Ja, manche verstiegen sich sogar in der Ansicht, alles, was innerhalb des neuen Reichs der Elben hervorgebracht worden war und wurde, stellte nichts weiter als einen schwachen Abklatsch einstiger Größe dar. Aussagen, die durch die Überlieferungen in den Büchern und Schriftrollen klar widerlegt wurden. Aber angesichts der Probleme der Gegenwart neigte offenbar so mancher dazu, die Vergangenheit zu verklären.
Andir hielt einen funkelnden Kristall von der Größe einer Faust über ein aufgeschlagenes Buch. Ein greller feuerfarbener Schein ging von diesem Kristall aus und hatte das Buch erfasst. Einige Augenblicke lang schien es so, als würde es verglühen. Dann murmelte Andir ein paar Worte auf Alt-Elbisch, der Sprache, die in der Vorzeit Athranors üblicherweise gesprochen worden war und in der noch immer viele Zaubersprüche und magische Formeln formuliert waren. Der Schein verblasste, zog sich zurück. Wie ein Fächer, der sich zusammenklappte, bildete er zunächst einen schmalen Strahl, der wie ein leuchtender Faden wirkte, dann verschwand auch dieser völlig, während der Kristall selbst pulsierend aufleuchtete.
Andir war vollkommen konzentriert. Keandir bezweifelte, dass sein Sohn ihn überhaupt bemerkt hatte, so entrückt wirkte der größte lebende Elbenmagier in diesem Moment.
Der Kristall begann seine Farbe zu verändern. Er wurde dunkelrot und leuchtete in einem pulsierenden Rhythmus auf, der Keandir an ein schlagendes Herz erinnerte. Das Herz der Weisheit, dachte er. Keandir wusste, dass sein Sohn schon seit Längerem damit experimentierte, den Inhalt von Büchern durch die Anwendung weißer Magie auf Kristalle zu bannen. Anfänglich waren seine Bemühungen von wenig Erfolg gekrönt gewesen; häufig bekam er keinen Zugang mehr zu den Kristallen und konnte auf das darin gespeicherte Wissen nicht mehr zugreifen. Offenbar hing das in sehr starkem Maße von der Beschaffenheit des verwendeten Kristalls ab und auf dessen Reinheitsgrad.
Diesmal aber machte Andir ein zufriedenes Gesicht. Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen.
»Offenbar hast du die richtige Art von Kristallen gefunden«, stellte Keandir fest.
Erst da bemerkte Andir seinen Vater. Er schaute erst auf, erkannte Keandir und erhob sich. »Vater! Tut mir leid, aber die innere Versenkung, die nötig ist, um …«
»Schon gut«, wehrte Keandir ab. »Deine Tätigkeit verlangt volle Konzentration, das weiß ich.«
»Gewiss.«
»Allerdings muss ich zugeben, dass meine Freude geteilt ist, denn wenn du es schaffst, deine Bibliothek auf Kristall zu bannen, heißt das auch, dass der Tag deiner Abreise näherrückt. Und ehrlich gesagt lasse ich dich ungern ziehen.«
»Wir haben lange darüber gesprochen,
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