Elben Drachen Schatten
eine Stimme in seinem Rücken. Er hörte Schritte. Magolas wandte kurz den Kopf und erkannte Thamandor den Waffenmeister.
Als er sich wieder dem fremden Axtkrieger zuwenden wollte, war dieser verschwunden. Die Passanten starrten den Königssohn noch immer völlig verstört an. Das anfängliche Erschrecken war tiefer Ratlosigkeit gewichen. Konnte es sein, dass der Sohn des Elbenkönigs unter Wahnvorstellungen litt? Dass die Elben an und für sich eine gewisse Anfälligkeit für Gemütskrankheitern aufwiesen, war seit langem bekannt, und auch wenn der schreckliche Lebensüberdruss mit seinen tödlichen Folgen lange Zeit die gesamte Aufmerksamkeit der Elbenheiler auf sich gezogen hatte, so war es doch keineswegs das einzige bekannte Leiden dieser Art.
Thamandor deutete auf das blank gezogene Schwert in Magolas’ Hand. »Eine Waffe gegen unsichtbare Gegner habe selbst ich noch nicht erfunden, werter Magolas«, bekannte der Waffenmeister.
In seinen Worten klang eine besondere Sorge mit, was Magolas keineswegs entging. Eine Sorge hinsichtlich der seelischen Gesundheit des Königssohns.
Magolas schob das namenlose Schwert zurück in die Scheide und straffte sich. »Es ist alles in Ordnung.«
»Dann ist es ja gut.«
»Was ist Euer Begehr?«
»Ich habe Euch schon überall gesucht, aber niemand konnte mir sagen, wo Ihr Euch befindet – bis ich die hübsche Sarámwen traf, die mir etwas betrübt darüber schien, dass Ihr ihre Gesellschaft offenbar verschmäht.« Auf dem glatten Gesicht des Waffenmeisters erschien eine tiefe Furche, während er Magolas musterte. »Bei den Namenlosen Göttern! Ihr seht so bleich aus, dass man Euch für ein Gespenst aus Maldrana halten könnte!«
Die Elbenmenge, die sich kurzzeitig um den Prinzen gebildet hatte, zerstreute sich rasch wieder. Hier und dort wurden hinter vorgehaltener Hand ein paar Bemerkungen gemacht, die meisten davon so leise, dass Magolas nicht einmal mit seinem feinem Gehör mitkriegte, was gesagt wurde.
Er wartete einige Augenblicke, dann wandte er sich an Waffenmeister Thamandor. »Habt Ihr den Reiter nicht gesehen?«, vergewisserte er sich.
»Von welchem Reiter sprecht Ihr?«
Magolas ließ den Blick schweifen. Welchen Streich hatten ihm seine Sinne gespielt? Und welche finstere Macht war dafür verantwortlich. Ich werde mit dem König darüber sprechen müssen, ging es ihm durch den Kopf.
»Ich sollte Euch Bescheid geben, wenn die verbesserte Version der Flammenlanze einsatzbereit ist«, sagte Thamandor. »Das ist sie jetzt!«
»Meinen Glückwunsch, Erfindungsreichster aller Elben«, sagte Magolas, aber Thamandor spürte sehr deutlich, dass sich die Begeisterung des Königsohns in engen Grenzen hielt, und dies, obgleich er bisher die Entwicklung dieser Waffe mit großem Interesse verfolgt hatte.
»Unglücklichweise gilt noch immer das Verbot Euer Vater, eine solche Waffe innerhalb der Stadtmauern mit sich zu führen. Er will es erst dann aufheben, wenn Ihr die Feuerlanze für unbedenklich erklärt. Offenbar will er sich keinen Ärger mit den Bürgern von Elbenhaven einhandeln. Also müsstet Ihr mich wohl oder übel zu meiner Manufaktur begleiten.«
»Das werde ich«, versprach Magolas.
»Fein, dann würde ich vorschlagen, reiten wir sogleich los.«
»Nicht heute«, wehrte Magolas ab. »Vielleicht in ein paar Tagen. Oder im nächsten Monat. Jetzt habe ich erst mal etwas anderes zu erledigen.«
Mit diesen Worten ließ Magolas den ziemlich verdutzten Waffenmeister stehen. Thamandor seufzte. »Gutes Handwerk bekommt auch nicht mehr die Anerkennung, die es verdient …«
4. Kapitel
Boten des Grauens
Magolas suchte seinen Vater auf, um ihm von der merkwürdigen Erscheinung des Axtkriegers zu berichten. König Keandir beriet sich gerade mit den Kapitänen seiner Elbenflotte. Ithrondyr, der ehemalige Kapitän des Kundschafterschiffs »Jirantor«, war inzwischen zum Admiral der Flotte Elbianas erhoben worden. Er legte dem König seine Pläne zu einem künftigen Flottenausbau vor und erläuterte sie in gestelzten Worten, als der Königssohn in die Unterredung platzte und seinen Vater zu einem Vieraugengespräch aufforderte. Keandir war zunächst ebenso irritiert wie die versammelte Führung der Elbenflotte. Aber der König spürte rasch, wie ernst es seinem Sohn war. Es musste etwas wirklich Gravierendes vorgefallen sein.
»Ich würde Euch nicht damit bedrängen, Vater, wenn diese Sache Aufschub duldete«, erklärte er.
Keandir nickte und ging mit seinem Sohn
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