Elben Drachen Schatten
blickte hinaus auf die See. Aber der Name des königlichen Flaggschiffs blieb eine trügerische »Hoffnung«.
Ihr wurde das Herz schwer, als ein Bote die Nachricht überbrachte, dass die »Tharnawn« wohl vertäut im Hafen von Turandir liege und der König mit seiner Streitmacht losgezogen war, um die Trork-Invasoren zu vertreiben.
Wochen sammelten sich zu Monaten, und die Abwesenheit von König Keandir lastete schwer auf dem königlichen Hof. Da sich aber bezüglich der Rhagar Entscheidungen nicht länger aufschieben ließen, fasste der Kronrat den Entschluss, nicht länger auf die Rückkehr des Königs zu warten.
Keandir blieb verschollen, und es ging alsbald das Gerücht um, dass er mitsamt seiner Streitmacht von den Trorks erschlagen worden wäre, als er ihnen in das von urtümlichen Geschöpfen bevölkerte Wilderland gefolgt war.
Andere wiederum behaupteten später, ihm wären die Eldran erschienen und er wäre angesichts der Dunkelheit in seiner eigenen Seele der Faszination ihrer vollkommenen Reinheit erlegen und habe sich daher bereitwillig von ihnen nach Eldrana entführen lassen …
Das Jüngere Buch Keandir
Die Zeit ist eine Illusion, sagen die Weisen der Elben – vielleicht weil sie im Überfluss davon haben, und alles, was man im Überfluss hat, weiß man nicht angemessen zu schätzen. Aber als Magolas in Liebe zu einer schnell sterblichen Rhagar-Frau entflammte, erfuhr er, wie kostbar die Zeit ist, wenn die Namenlosen Götter in ihrem hartherzigen Ratschluss einem davon nicht genug zugeteilt haben. Wie verfluchte der Königssohn sie. Aber er musste einsehen, dass er etwa Kaltes, Unbeteiligtes verfluchte, taub gegenüber den Wehklagen und en Flüchen der Lebenden. Ebenso gut hätte er den Kosmos selbst anklagen können. Es schien keine Instanz zu geben, die sich für diese Ungerechtigkeit zuständig fühlte, kein Gericht, vor dem er sein Recht auf Glück hätte einklagen können, und kein Schicksal, das es für ihn vorherbestimmt hätte.
So blieb ihm nur eins. Das zu tun, was auch sein Vater Keandir getan hatte: Sich sein eigenes Schicksal zu schaffen, ohne Rücksicht darauf, was andere für unabwendbar oder naturgegeben halten mochten.
Die Verbotenen Schriften
(früher bekannt als: Das Buch Branagorn)
In seinen Träumen hatte Magolas das Gesicht der Rhagar-Prinzessin Larana von Aratan gesehen, lange bevor er ihr begegnet war, zu einem Zeitpunkt, da das kurze, flüchtige Leben der Prinzessin noch nicht einmal begonnen hatte. Noch bevor Laranas unruhig flackerndes Lebenslicht durch ihre Geburt entzündet wurde, war daher das Feuer ihrer Liebe bereits entflammt.
Das Buch Magolas
In jenen Tagen stand häufig gebratene Taube auf dem Speiseplan, denn die Gesänge der Königin Ruwen waren so traurig, dass die empfindlichen und sehr mitfühlenden Tiere in großer Zahl tot von den Dächern fielen. So lehrte mich das Wehklagen der Königin letztlich immer neue Varianten bei der Zubereitung dieses Vogels, und niemand, der in jener Zeit im Palas auf Burg Elbenhaven beim Bankett saß, hat sich je über die Eintönigkeit der Küche beklagt.
Die Chronik des Hofkochs Bisandir
1. Kapitel
Larana
Monate waren vergangen, seit König Keandir mit der »Tharnawn« von Elbenhaven ausgelaufen war, um einen Feldzug gegen die Trork-Invasoren zu führen, die die nördlichen Herzogtümer bedrohten.
Ruwen, die tagtäglich an den Zinnen des Westurms stand und hinaus auf das Meer blickte, wusste nur zu gut, dass dieser zeitliche Rahmen sie eigentlich noch nicht hätte beunruhigen dürfen. Es war Glück gewesen, dass Elbiana so lange Zeit vom Krieg verschont geblieben war und daher nicht die Notwendigkeit bestanden hatte, dass sich der König in irgendwelchen äußeren Provinzen des Elbenreichs mit Eroberungsversuchen von Barbaren herumschlagen musste, mochten dies nun Rhagar, Trorks oder irgendwelche anderen kriegerischen Geschöpfe sein. Sie waren vom Schicksal verwöhnt gewesen, ging es Ruwen durch den Kopf.
Sorgen machte der Königin etwas anderes. Der letzte Bote, der auf dem Landweg über Mittel-Elbiana den Hof von Elbenhaven erreicht hatte, hatte davon berichtet, dass die nordbergische Stadt Turandir dank des Einsatzes von Keandirs Streitmacht gerettet worden war und der König die wilden Horden der Angreifer in die nördlichen Wälder des Waldreichs verfolgt hatte, vielleicht sogar bis nach Wilderland. Aber danach war nichts mehr über sein Schicksal bekannt, und Gleiches galt für Herzog Isidorn, der
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