Elbenschswert
keine Zeit, Komplimente auszutauschen. Bitte seht
nach Euren Leuten. Wir müssen möglichst schnell von
hier weg. Die Barbaren könnten zurückkommen.«
Hardland sah ihn einen Moment erschrocken an, dann
eilte er davon, um Lancelots Anordnung nachzukommen,
und Lancelot selbst wandte sich direkt an Sir Mandrake.
»Ihr seid verwundet. Glaubt Ihr, Ihr könnt reiten?«
»Es sieht schlimmer aus, als es ist«, behauptete Mandrake. »Ich bin schon schrecklicher verletzt worden. Aber ich
danke Euch. Ohne Eure Hilfe hätten wir es wahrscheinlich
nicht geschafft.«
»Noch ist die Gefahr nicht vorüber«, antwortete Lancelot. »Sie sind geflohen, aber das heißt nicht, dass sie nicht
zurückkommen, sobald sie sich von ihrer Überraschung
erholt haben.«
»Jetzt, wo Ihr bei uns seid? Der unbesiegbare Gralsritter?«, fragte Mandrake spöttisch.
»Das bin ich keineswegs«, antwortete Lancelot ernst.
»Ich habe ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt, das
ist aber auch alles. Auch ich kann nicht allein mit fünfzig
oder hundert Kriegern fertig werden. Die Wälder sind voller Pikten, glaubt mir.«
»Ihr müsst es ja wissen«, sagte Mandrake. Er lächelte
und seine Stimme klang durchaus freundlich, aber in seinen Augen war ein Ausdruck, der Lancelot schaudern ließ.
Die alte Feindschaft zwischen ihnen war nicht begraben,
nicht einmal vorübergehend.
»Ich fürchte, das weiß ich nur zu gut«, meinte er, ganz
bewusst ein wenig zweideutig. Dann wechselte er das
Thema und deutete auf den Wagen. »Ist dort der Bischof
von York?«
Mandrake nickte. »So ist es, Sir Lancelot. Artus’ Vermählung ist für morgen angesetzt und er wird die Eheschließung vollziehen.«
»Ich weiß«, sagte Lancelot. »Aus demselben Grund bin
auch ich unterwegs nach Camelot.«
»Da können wir ja von Glück sagen«, murrte Mandrake.
Lancelot spürte, dass es ihm immer schwerer fiel, die
Form zu wahren. Sie waren niemals Freunde gewesen,
aber man konnte es drehen und wenden, wie man wollte –
Lancelot hatte ihm und vermutlich auch allen anderen hier
gerade das Leben gerettet. Er erwartete keine Dankbarkeit.
Aber Mandrake benahm sich, als wäre er sein Feind.
Bevor die Situation weiter eskalieren konnte, ging er mit
schnellen Schritten auf den Wagen mit den Silberbeschlägen zu. Die beiden Soldaten, die ihn bewachten, traten
respektvoll zur Seite und Lancelot sah, wie sich der dunkelblaue Seidenvorhang, mit dem das Fenster verhängt
war, leicht bewegte. Der Insasse des Wagens hatte hinausgesehen, legte aber offensichtlich Wert darauf, dass dies
niemand merkte.
Lancelot schob den Vorhang zur Seite und blickte in ein
schmales, von einem pedantisch ausrasierten, kurz geschnittenen Bart eingefasstes Gesicht unter einer roten
Bischofsmütze, die im Moment ein wenig schief auf dem
ansonsten kahlen Schädel saß.
»Exzellenz?«, fragte er.
Der Bischof sah für einen Moment erschrocken drein,
aber dann setzte er sich gerade und rückte mit einer hastigen Bewegung seine Kopfbedeckung zurecht, als er Lancelots Blick bemerkte. Erst dann nickte er. »Und Ihr seid
…?«
»Mein Name ist Lancelot du Lac«, antwortete Lancelot.
»Lancelot?« Dem Bischof gelang es nicht völlig, seine
Überraschung zu verbergen. » Ihr seid Lancelot?«
Lancelot lächelte. »So ist es. Ihr seht aus, als könntet Ihr
es nicht glauben.«
»Ich habe eine Menge über Euch gehört, Sir Lancelot«,
antwortete der Bischof. »Aber um ehrlich zu sein, ich hatte Euch mir anders vorgestellt.«
»Anders?«
»Älter«, sagte der Bischof und in Lancelot stieg Besorgnis auf. Bisher hatte ihn die Zauberrüstung stets geschützt;
nicht nur vor feindlichen Schwertern und Pfeilen, sondern
vor allem davor, erkannt zu werden.
Auch wenn sein eigenes Spiegelbild für ihn immer noch
dasselbe war, das er seit dem Tag seiner Geburt kannte, so
schien diese Rüstung doch die Augen aller anderen zu
täuschen. Nicht einmal Artus oder Gwinneth hatten ihn
erkannt, wenn er die Gralsrüstung trug; selbst wenn er das
Visier öffnete oder gar den Helm abnahm.
»Das sagt man mir öfter«, antwortete er mit einem geschauspielerten Lächeln, von dem er selbst spürte, wie
wenig überzeugend es war. »Ich sehe jünger aus, als ich
bin. Manchmal ist es von Vorteil, aber meistens nicht.«
»Es gibt schlimmere Schicksale.« Der Bischof lächelte.
»Wie etwa das, das uns ereilt hätte, wäret Ihr nicht im letzten Moment erschienen. Ich danke Euch. Auch im Namen
des Königs, dessen Gast ich
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