Elbenschswert
zurzeit bin.«
»Ich habe nicht mehr getan, als jeder andere an meiner
Stelle auch versucht hätte«, antwortete Lancelot ausweichend. Zugleich begann er zu überlegen, wie er möglichst
rasch wieder von hier verschwinden könnte. Er war zum
Bischof gegangen, um nicht weiter mit Mandrake reden zu
müssen, aber er sah jetzt, dass er einen unangenehmen
Gesprächspartner gegen einen noch widerwärtigeren eingetauscht hatte. Dabei konnte er gar nicht genau sagen,
was ihm an dem Bischof so widerwärtig vorkam. Das Gefühl aber war so intensiv, dass er es nicht ignorieren konnte.
»Ich würde gerne noch ein wenig weiter mit Euch reden,
Exzellenz«, sagte er. »Aber ich fürchte, dafür bleibt uns
keine Zeit. Die Pikten sind geflohen, aber sie können jederzeit wiederkommen. Und ein zweites Mal werden sie
sich nicht überrumpeln lassen.«
Der Bischof nickte nur und Lancelot ließ den Vorhang
wieder vor die Öffnung fällen. Als er sich herumdrehte,
hatte er plötzlich das Gefühl, wieder freier atmen zu können. Irgendetwas war um den Bischof gewesen, etwas
Dunkles, das ihm Angst machte … Unsinn! Lancelot verscheuchte den Gedanken. Der Wagen war klein und muffig, die Luft schlecht und vom Angstschweiß des Bischofs
verpestet, das war alles.
Er sah sich aufmerksam um.
Unter Hardlands Anleitung hatten die Krieger bereits
begonnen, die Verwundeten zu versorgen und die Toten
nebeneinander am Wegesrand aufzureihen, wobei sie einen Unterschied zwischen Verteidigern und Angreifern
machten. Lancelot benötigte jedoch einige Augenblicke,
um diesen Unterschied ganz zu erfassen, dann aber machte
es ihn wütend.
Einige Männer waren dabei, den umgestürzten Wagen
wieder aufzurichten und das Wenige an Fracht abzuladen,
was nicht schon von selbst hinuntergefallen war.
Offensichtlich hatte man vor, die verwundeten Männer
damit nach Camelot zurückzutransportieren; vielleicht
auch die Toten, um sie später beizusetzen. Für die Pikten
galt das nicht. Ihre Erschlagenen waren wie Abfall auf
einen Haufen am Wegesrand geworfen worden und mit
den Verwundeten und den wenigen Männern, die sich
ergeben hatten, verfuhren die Krieger aus Camelot kaum
weniger grob. Lancelot ging mit raschen Schritten hin und
wandte sich in scharfem Ton an Hardland:
»Was bedeutet das?«, fragte er.
Sir Hardland sah ihn verwundert an. Offenbar verstand
er Lancelots Aufregung nicht. »Wir müssen die Verwundeten zurück nach –«, begann er, wurde aber unterbrochen.
»Das sehe ich. Was aber habt Ihr mit den Gefangenen
vor?«
»Was werden wir wohl mit ihnen vorhaben?« Es war
nicht Hardland, der antwortete, sondern Mandrake, der
unbemerkt herangekommen war und jetzt herausfordernd
die Hand auf den Schwertgriff in seinem Gürtel legte.
»Wir können sie nicht mitnehmen. Und wir können sie
auch nicht hier lassen.«
»Das heißt, Ihr wollt sie töten?«, fragte Lancelot erschüttert.
»Uns bleibt keine Wahl«, behauptete Mandrake.
»Das sehe ich anders«, erwiderte Lancelot. »Die meisten
sind so schwer verletzt, dass sie keine Gefahr mehr darstellen. Und die anderen werden wir fesseln und hier lassen. Bis ihre Kameraden sie gefunden und befreit haben,
sind wir längst in der Stadt.«
Mandrake starrte ihn finster an. »Ihr wisst nicht, was Ihr
da sagt, Sir«, stieß er hervor.
»Ich werde nicht zulassen, dass wehrlose Gefangene ermordet werden oder gar Verwundete. Das wäre Mord.«
»Die Männer, die Ihr heute verschont, werden Euch vielleicht morgen wieder in der Schlacht gegenüberstehen«,
erwiderte Mandrake. »Wollt Ihr das?«
Lancelot schüttelte wütend den Kopf. »Das ist ein Unterschied. Ich verbiete Euch, Hand an diese Männer zu legen!«
»Ach?«, fragte Mandrake lauernd. »Und mit welchem
Recht?«
Lancelot antwortete nicht gleich, aber er schloss die
Hand nun ebenfalls um den Schwertgriff und fuhr mit lauter Stimme fort: »Ich werde jeden niederschlagen, der es
wagt, diese Männer anzurühren. Das ist mein Ernst.«
Für einen Moment sah es so aus, als würde Mandrake
tatsächlich sein Schwert ziehen wollen. Es wäre nicht das
erste Mal, dass sich ihre Klingen kreuzten – und nicht das
erste Mal, dass Mandrake diesen Kampf verlor. Dennoch
spürte Lancelot genau, dass es nicht die Angst vor einer
Niederlage war, die Mandrake schließlich dazu bewog, die
Hand wieder zurückzuziehen und zu nicken.
»Ganz wie Ihr wünscht, Sir Lancelot«, sagte er steif.
Dann rief er: »Beeilt Euch! Wir müssen so schnell wie
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