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Elbenschswert

Titel: Elbenschswert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pikte drehte den Kopf
und fuhr zusammen, als er ihn erkannte. Seine Augen füllten sich mit Angst, aber er sagte kein Wort, sondern versuchte noch heftiger unter dem Kadaver des Pferdes hervorzukommen. Lancelot hörte Hufschlag. Das Einhorn
war ihm ohne sein Zutun gefolgt, näherte sich nun langsam dem verletzten Pikten und senkte den Schädel. Das
schreckliche Horn, das direkt aus der Mitte seiner Stirn
wuchs, deutete wie ein Dolch auf den Gestürzten und das
Tier begann vor Ungeduld mit den Hufen zu scharren.
Lancelot zog langsam das Schwert. Er wollte es nicht,
aber seine Hand schien seinem Willen plötzlich nicht mehr
zu gehorchen. Ganz langsam hob er die Klinge. Die Waffe
schien in seiner Hand zu vibrieren.
Aber er schlug nicht zu. Der Pikte sah wieder zu ihm
hoch und Lancelot las in seinen Augen dieselbe grenzenlose Hoffnungslosigkeit, die er bereits im Blick des Kriegers vorhin entdeckt hatte, und plötzlich begriff er, dass
diese Männer von Anfang an gewusst haben mussten, dass
sie keine Chance hatten, obwohl er nur einer gegen so
viele war. Sie hatten letztendlich gesiegt, aber das war
wohl eher seiner eigenen Ungeschicklichkeit und Selbstüberschätzung zuzuschreiben. Sie haben gewusst, wer ich
bin, dachte Lancelot schaudernd.
Statt zuzuschlagen ließ er den Arm sinken und schob das
Schwert in die Scheide zurück. Die Bewegung fiel ihm
ungewohnt schwer; es war, als weigere sich die Elbenklinge in ihre Hülle zurückzukehren, solange ihr Werk
nicht vollendet war. Die Klinge schrie immer noch nach
Blut und für einen Moment schien sich ihre ganze Wut
und Enttäuschung nun gegen Lancelot selbst zu richten. Es
kostete ihn all seine Kraft, dem fürchterlichen Drängen
nicht nachzugeben und das Schwert schließlich in seine
Scheide zurückzustoßen.
Blitzartig erschien ein Bild vor seinem inneren Auge: Er
sah wieder den Morgen, an dem er Artus am Flussufer
getroffen und dieser ihm zum Zeitvertreib ein wenig das
Fechten beibringen wollte, und das maßlose Entsetzen in
Merlins Augen, als Artus ihm erzählte, was geschehen
war. Ihr habt ihm ein Schwert gegeben, Ihr Wahnsinniger? Genau das waren Merlins Worte gewesen. Er hatte damals
weder sie noch den Ausdruck von blanker Panik in den
Augen des alten Magiers verstanden, aber nun begriff er
beides umso besser.
Warum hatte er es ihm nicht gesagt?
»Worauf wartest du?«, murmelte der Pikte. Er sprach
schleppend und mit leiser Stimme, die sich mit der ungewohnten Sprache schwer tat. »Töte mich endlich! Oder
bereitet es dir Freude, mich zu quälen?«
Lancelot zwang das Einhorn einige Schritte rückwärts zu
tun, weil er spürte, welche Angst sein Anblick dem Mann
einjagte. Das Tier widersetzte sich. Er musste beinahe
Gewalt anwenden, um es zum Gehen zu bewegen.
Warum hatte Merlin es ihm nicht verraten?
»Wenn du mir dein Wort gibst, dann helfe ich dir«, sagte
er. »Ich bin kein Heilkundiger, aber ich kann versuchen
dich unter dem Pferd hervorzuziehen.«
Der Pikte starrte ihn verwirrt an. Er war misstrauisch,
witterte vermutlich eine Falle, aber zugleich glomm ein
schwacher Funke von Hoffnung in seinen Augen auf.
Dann aber schüttelte er den Kopf. »Ich brauche deine
Hilfe nicht, englischer Bastard«, wehrte er ab.
»Ich bin kein Brite«, sagte Lancelot.
»Meinetwegen kannst du direkt aus der Hölle kommen«,
murmelte der Pikte. Er versuchte sich zu bewegen und
verzerrte das Gesicht vor Schmerz. »Rühr mich nicht an.«
»Das ist dein Tod«, sagte Lancelot. »Deine Kameraden
haben dich hier zurückgelassen. Das ist dir doch klar? Sie
werden nicht kommen, um nach dir zu suchen.«
»Rühr mich nicht an«, wiederholte der Pikte. »Niemand
kann mir helfen. Mein Kreuz ist gebrochen. Wenn du mir
helfen willst, dann gib mir meinen Dolch.«
Lancelot überlegte einen kurzen Moment. Er wusste
nicht, ob der Pikte die Wahrheit sagte oder vielleicht nur
versuchte ihm im letzten Moment doch noch eine Falle zu
stellen oder ihn aufzuhalten, bis seine Kameraden zurückkamen und zu Ende brachten, was sie vorhin begonnen
hatten, aber er konnte rein gar nichts für den Mann tun.
Wenn er die Wahrheit sagte, dann war sein Leben so oder
so verwirkt, und wenn nicht, dann wäre es reiner Selbstmord, ihn zu befreien und ihm noch dazu eine Waffe zu
geben.
»Ich werde nach deinen Kameraden Ausschau halten
und sie herschicken«, versprach er.
Der Pikte lachte böse. »Das brauchst du nicht. Sie halten
schon nach dir Ausschau, keine Sorge. Und

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