Elchmus (German Edition)
Wasserpistole in der Hand. Peng, legt er noch einen drauf. Elke lacht und sagt „Das ist Ralf. Mein Freund“.
Siehst gut aus, denkt Elkes Schwester. Der Kurze rennt weiter und Ralf ist schon mal vorgestellt. Kinder sind zum Knutschen, zumindest manch mal. Machen alles so herrlich unkompliziert. Als der Kurze Holger sieht, will er seinen Erfolg als Feuerwehrmann erneut unter Beweis stellen und schafft das auch erfolgreich. Die Zigarette ist mit einem Strahl tot. Holger rennt dem Kurzen nach und weiß gar nicht mehr, wovor er Angst hatte. Ist doch alles ganz locker hier.
Dennoch dürfte Elke eigentlich nicht hier sein. Voller Freude und doch ohne richtigen Job. „Und, hast du dich schon beworben hier in Schapdetten?“ , fragt der Vater da auch schon und lächelt dabei überhaupt nicht. Aber vergisst seine schlechten Manieren sofort wieder und bietet Holger eine Zigarette an.
„Die erste bei der er sitzen und Kaffee trinken kann“, sagt dieser dann auch strahlend und tätschelt dabei mit seiner freien Hand den echten Münsterländer, der ihn mit seinen wedelnden Schwanz auch sofort dafür belohnt.
Bella ist ein er. Aber das ist hier egal, dass das sprachlich falsch ist. Bella ist reinrassig und hat keine italienischen Vorfahren. Und auch keine türkischen oder bulgarischen. Ist ein e waschechte Münsterländerin. Und hier im Münsterland ist die Arbeitslosigkeit so niedrig wie nirgendwo sonst in Deutschland.
Wandel hat es hier nicht gegeben. Hier bleibt alles beim Alten. Der Hund wufft nach mehr Streicheleinheiten. Auch wenn diese von einem Ruhrgebietler kommen. Oder gerade deswegen. Strukturwandel ist noch nicht im Münsterland angekommen. Und ihr Vater verreist nicht gern. Er ist gern zu Hause im eigenen Garten. Mit dem immer gleichen Blick auf den Teich. Und er will nicht nach Dortmund und schon gar nicht nach England.
Dortmund ist für ihn noch immer Kohlenpott, St. Ives kennt er nicht aus den Rosamunde Pilcher-Filmen. Sagt seine Frau. Ralf sagt gerade, Cornwall ist zwar nicht Amerika, aber das heißt ja nichts. Sie haben immerhin einen Job wie ein Zimmermann auf der Walz, in einem Land, in dem das Rating noch nicht runtergestuft ist und wahrscheinlich auch nicht wird.
Selbständigkeit bietet keine Sicherheiten. Vor allem steht man dann als Rentner echt dumm da. Und für die Rente arbeitet man schließlich. „Ja, wieso versucht ihr denn nicht in New York einen festen Job mit Bezahlung zu kriegen?“ . fragt ihr Vater sehnsuchtsvoll. „Das ist doch die Stadt, in der jeder leben will. Und euer Englisch ist ja so gut“, seufzt er noch sehnsuchtsvoller. Die Geschichte vom Tellerwäscher zum Millionär hat es bis ins Münsterland geschafft. Für die USA wird trotz Runterstufung und Krankenversicherungs-katastrophengeschichten geworben, für Rosamunde Pilcher nicht.
Gestern war das Glück für Elke noch da und heute ist es nicht mal in greifbarer Nähe. Heute sitzt ihr Vater unter dem Münsterländer blauen Himmel, und hat den noch leeren Grill vor sich. Dieser wird immerhin schon bald mit dicken Würsten drauf glücklich und zufrieden sein.
Elkes Pläne stellen dahingegen mal wieder eine Katastrophe da. Denn alles Gute kommt ausschließlich aus dem Münsterland und bleibt auch da. Auch die Bratwürste. Ralf traut sich nicht, das extra eingekaufte englische Essen zu erwähnen. Elke sieht den Blick und wünscht sich sie wär ein Vogel, so wie der, der gerade hoch über ihr hinwegfliegt.
Als ihr Vater schließlich die Würste auf den Meisterkohlegrill schmeißt, freut sich dieser richtig über den Besuch. Denn wenn die Kinder nicht da sind, wird per Strom auf einen kleinen Tischgrill gegrillt und er kommt nicht zum Einsatz. Aber der Vater hatte den Holzkohlegrill extra gekauft, als er in Rente ging. Ich hab ja jetzt Zeit, hatte er da gesagt. Aber den Grill noch nicht oft belohnt.
Er hatte sich damals auch vorgenommen, viel Fahrrad zu fahren, mehr im Haushalt zu helfen und nur ab und zu Karten zu spielen und dem Männer-Kegelverein nicht beizutreten. Die Fahrräder gab es dann auch wirklich, sogar im Doppelpack und das auch noch als Pedelec. Er würde ja nicht jünger und es ist das letzte Rad, das er sich in diesem Leben kaufen täte, hatte er sich aber auch bei diesem Kauf gerechtfertigt. Die erste motorisierte Testfahrt war dann auch super und sie kamen sogar 20 km weiter als gewöhnlich. Die zweite Tour hat ihn dann doch stolz, aber kurz zum Skat-Club gebracht und trotz ohne Bier nicht mehr zurück
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