Elchmus (German Edition)
nach Hause. Denn auch im Münsterland werden teure gute Fahrräder geklaut. Aber daran will er sich gar nicht mehr erinnern. Insbesondere heute nicht. Ist ja Besuch da.
Ihre Mutter freut sich insgeheim auf das Rosamunde Pilcher-Land , aber beißt trotzdem tapfer ihre Dritten zusammen. Die, die sie morgens immer kurz im Wasserglas mit einer Brausetrablette reinigt, während sie ihre Hände eincremt. Ihre Mutter singt im Kirchenchor. Aber nur ohne Live-Auftritt. Im Kirchenchor singen alle Schapdettener Hausfrauen. Singen, um danach zu quatschen.
Sie mustert Ralf. Hübscher Kerl, aber zu nichts zu gebrauchen. Sieht sie sofort. Sie wirft ihrer Tochter einen Blick zu, der nicht verrät, wie falsch dieser Typ für sie ist. Ihre andere Tochter hat ja einen Beamten und ein schönes Leben mit schon ausgeträumten Träumen.
Der Kirchenchor singt jeden Dienstag. Auf der anderen Seite der Zugschienen. Fährt man am Dienstag gegen 17 Uhr durch Schapdetten hat man das Gefühl, am Nabel der Welt zu sein. Züge und noch mehr Züge fahren pünktlich und vorbildhaft von a nach b und andere kurze Zeit später wieder von b nach a. Die Schranken sind fast ununterbrochen unten. Und das im Feierabendstraßenverkehr auf der einzigen Hauptstraße im Ort.
Und da es hier wie gesagt kaum Arbeitslose gibt, staut sich dann hier alles. Mit und ohne Namen. So fühlt sich der Feierabend in Schapdetten an. Vor den geschlossenen Schranken singt ihre Mutter ihre Stimme immer schon warm. Dafür, dass sie nur einmal die Woche proben, ist der Zeitpunkt echt unglaublich dumm gewählt.
Ralf trinkt Cola aus Wassergläsern. Elke Bier aus Krügen mit Füßen. Diese sind ganz bestimmt zahnsicher. Schnapp, schnapp. Dann stellt sie ihre Gedanken schnell ab.
Bei Regen steht ihre Mutter auch im Stau. Im Auto. Auf dem Weg zur Chorprobe. Beim Stricken nur manch Mal auf dem Rückweg. Seit das Pedelec-Bike einmal nass geworden war, fährt sie nur noch mit dem Rad, wenn keine einzige Wolke am Himmel ist und nimmt wieder lieber das Auto. Ausreden braucht sie mittlerweile keine mehr. Denn sie ist ja eine Gentlefrau. Außerdem hält sie, wenn sie schon mal unterwegs ist, gerne an beim Bäcker. Und die Angst um das Fahrrad vor der Tür ist echt zu heftig.
Lecker schmecken die deutschen Würste. „Wow, sind die gut“ , brüllt zur Abwechslung mal Ralf. Und meint es auch so. „Wow, wow, wow“, brüllt auch schon die Mini-Ausgabe ihrer Schwester. „Wau“, macht dann auch der Kurze. „Was macht das Hundi?“, fragt Elkes Schwester stolz ihren Kleinen.
Passenderweise schweigt Bella, und hebt nicht mal den Kopf, während sie ihre Wurst verspeist. „Du bist eine gute Mama“, sagt Elke lobend zu ihrer Schwester und meint es auch so. Zur Bestätigung nimmt diese ihr gebrauchtes Taschentuch, leckt es an und wischt dem Kurzen den Mund damit ab. Elke lächelt tapfer. „Wenn die Kinder mal was größer sind, kommen wir euch auch mal besuchen“, sagt sie.
Hat aber in Gedanken, Ralf schon durch einen neuen Typen ersetzt und Elke doch nach Amerika verfrachtet. Die ist ja eine richtige Weltenbummlerin geworden. Sie wischt sich eine Träne mit demselben, mittlerweile leicht genässten Taschentuch, aus dem Augenwinkel weg.
Mit einem Beamten zum Mann hat das Leben halt keine Abwechslung mehr. Aber sie liebt ihre Kinder. Und sofort schieben sich die kleinen Tränen von alleine weg und machen ihrem „Ich-bin-gerne-Mutter-Lachen“ wieder Platz. Das Eigenheim, das ihnen in 20 Jahren gehört, macht das Lächeln sogar echt. Ihr Mann kommt ebenfalls zum Mittagessen. Das Amt hat anderthalb Stunden Mittagpause. Und der Bäcker daneben auch.
Es ist aber bei allen angekommen, dass dies nur eine Stipp-Visite ist. Bei allen. Elkes Mutter hofft, dass alles gut wird in England und drückt allen die Daumen. Als die Würstchen aufgegessen sind, ist auch der Gesprächsstoff zu Ende.
Holger nutzt die Chance und Stille. Er will schon mal nach Bochum fahren, seine Wohnung klar machen. Kam ja schließlich unverhofft, dass mit der Auswanderung, sagt er. Man muss das ja alles ordentlich zurücklassen und so. Ihre Eltern können das echt verstehen. Ein ganzes Leben muss gepackt werden. Nicht nur ein paar Wochen, wie bei ihrer eigenen Tochter.
Aber ihre Mutter meint es nicht doof, sondern nur gut und lädt auch schon alle Freunde aus Jugendtagen für Elke ein. Hat die Nummern der Eltern noch, oder weiß, was aus ihren alten Freunden geworden sind. Zumindest von denen, die geblieben
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