Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
konnte, fiel ihm Kellen bissig ins Wort. „Gute Absichten hat er sicherlich nicht.“
„ Warum eigentlich nicht?!“, gab Elea zu bedenken, obwohl sie selbst nicht so recht daran glaubte. „Vielleicht soll ich ihm einen Gefallen tun oder möglicherweise bin ich gar nicht die, nach der sie suchen? Vielleicht regen wir uns alle nur unnötig auf?“ Kellen gab ein verächtliches Schnauben von sich, als Albin wieder zu seiner Stimme fand. Er sah Elea mit seinen hellbraunen Augen, die sie so oft aus seinem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht verschmitzt angelächelt hatten, ernst an. „Elea, glaub mir, so niederschmetternd es für dich ist, du bist in Gefahr. Als deine Eltern von deiner Bestimmung erzählten und uns die Schatulle mit der Prophezeiung zeigten, zweifelten Breanna und ich nicht einen Augenblick an der Wahrheit ihrer Worte. Sie machten auf uns den Eindruck verzweifelter Eltern, die in größter Not waren. Ich fragte sie, von wem sie bedroht würden, aber sie wollten sich dazu nicht äußern. Es sei gefährlich für uns. Und falls wir uns für dich entscheiden würden, gaben sie uns zu bedenken, dass es unabdingbar wäre, mit dir in aller Abgeschiedenheit zu leben und unter allen Umständen der Hauptstadt Moray fern zu bleiben. Es ist also sicherlich kein Zufall, dass ausgerechnet aus Moray von König Roghan ein Trupp mit seinem gefürchteten Häscher ausgesandt wurde. Allem Anschein nach verfolgt Roghan bestimmte Pläne. Ich habe von einem Händler aus Moray gehört, dass er die Grenzposten entlang des Sans verfünffacht und in den letzten Jahren ständig Männer für das königliche Heer angeworben habe. Von einem anderen Händler aus Luvia hörte ich, dass er riesige Waldgebiete abholzen ließ, weil das Holz zum Bau für geheim gehaltene Dinge benötigt würde.“
Elea musste sich eingestehen, dass dies alles nicht gerade auf friedliche Absichten von König Roghan hindeutete. Sie nickte nachdenklich. Ein beklommenes Schweigen trat wieder ein und hielt eine geraume Weile an, bis das Abendrot den Wohnraum mit seinem warmen Licht durchflutete und Albin daran erinnerte, mit Louan noch in den Stall zu gehen, um das letzte Tageslicht für weitere Vorbereitungen für den bevorstehenden Aufbruch zu nutzen. Breanna brachte Kaitlyn zu Bett, während Elea sich dem Abwasch widmete. Kellen hatte jedoch nicht die Absicht, das Haus kampflos zu verlassen. Er trat hinter sie und zischte sie an: „Wenn du glaubst, dass du mir etwas vormachen kannst, dann hast du dich getäuscht! Du bist achtzehn Jahre lang nicht ein einziges Mal auf ein Pferd gestiegen, dann wirst du es auch sicherlich nicht morgen tun.“ Elea drehte sich fauchend um. „Du wirst sehen, ich werde es können, weil ich es einfach muss. Meinst du vielleicht, dass ich nicht in der Lage bin, über meine Prinzipien hinwegzusehen, wenn es darum geht unser Leben zu retten?! – Und überhaupt! Hör endlich auf, mich die ganze Zeit so anzugiften! Du bist und bleibst mein Bruder, egal, ob es dir passt oder nicht!“ Damit hatte sie erreicht, was sie wollte. Kellen stürmte wutentbrannt aus dem Haus und knallte die Tür hinter sich zu. Endlich! Breanna kam die Treppe hinunter. „Was war denn los? Geht es immer noch um seine Gefühle für dich?“, wollte sie wissen. Elea nickte ihr nur vielsagend zu und fuhr mit dem Abwasch fort. In ihrem Kopf tanzten ihre Gedanken einen Reigen. Sie wusste, dass sie einen Verbündeten für ihren Fluchtplan brauchte und dass hierfür nur Breanna in Frage käme. Ihre Aufregung verriet das Zittern ihrer leisen Stimme, als sie zu der Frau sprach. „Breanna, was ich dir jetzt sagen werde, wird dir nicht gefallen, mir auch nicht. Es ist aber der einzig richtige Weg.“ Breanna hielt in ihrer Arbeit inne und vergaß, für einige Augenblicke zu atmen. Elea fuhr mit etwas festerer Stimme fort.
„ Ich werde allein fliehen. Albin muss bei dir und den Kindern bleiben. Die Kinder brauchen ihn. Du brauchst ihn. Du liebst ihn. Er darf euch nicht einfach schutzlos zurücklassen. Und was Kellen angeht, dieser Hitzkopf wird sich noch versehentlich in eins der vielen Messer stürzen. Breanna, ich habe gesehen, wie du vorhin Albins Waffen angesehen hast. Du hattest denselben Gedanken wie ich. - Falls die Krieger tatsächlich hierher kommen sollten, dann müsst ihr sie auf eine falsche Fährte führen, und zwar ihr alle zusammen.“ Der dreifachen Mutter traten Tränen in die Augen. Sie nickte zaghaft und nahm das Mädchen in die Arme.
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