Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
einfacher, wenn jeder sieht, wen er vor sich hat.“ Der junge Mann, der offensichtlich wieder seine Fassung gefunden hatte, schnaubte verächtlich. „Was ist das für ein König, der eine Handvoll Bastarde schickt, die rechtschaffene Leute mitten in der Nacht überfallen?“, giftete er den maskierten Mann an. Der Wohnraum war inzwischen von einem warmen, angenehmen Licht erleuchtet, das die angsterfüllte und spannungsgeladene Stimmung noch unerträglicher machte. Maél ging mit langsamen Schritten auf den jungen Mann zu. Er wusste von der einschüchternden Wirkung, die er aufgrund seiner Erscheinung und seines Rufs auf die Menschen hatte. Solche Momente, in denen er seine unangreifbare Überlegenheit zur Schau tragen konnte, kostete er immer aus. Sie gehörten zu den wenigen Dingen in seinem verfluchten Leben, die ihm eine gewisse Freude bereiteten. Er blieb zwei Schritte vor ihm stehen. Er war deutlich größer, sodass der von den beiden Soldaten immer noch festgehaltene Mann den Kopf etwas nach oben neigen musste, um ihm ins Gesicht oder vielmehr auf die Maske, sehen zu können. Maél holte unvermittelt mit dem Arm aus und schlug ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Hätten die Krieger ihn nicht in ihrer Mitte gehabt, so wäre er quer durch den Raum geflogen und in dem Kamin gelandet, in dem noch die Asche glühte. Bewusstlos ließen die Männer ihn zu Boden gleiten. Das Mädchen hatte inzwischen wieder in den Armen ihres Bruders zu weinen begonnen, während die Mutter offensichtlich mit den Tränen kämpfte und von ihrem Mann krampfhaft festgehalten wurde. Der Jäger räusperte sich, fasste sich ein Herz und sprach den maskierten Mann mit bebender Stimme an. „Was wollt ihr von uns?“
„ Ich glaube, das wisst ihr ganz genau.“ Maél schickte einen Krieger nach oben, um nachzusehen, ob sich das Mädchen oben versteckt hielt. Sein Blick schweifte nochmals gründlicher durch den Raum. Dabei entdeckte er in der Ecke neben der Kochstelle zwei gepackte Reisetaschen, zwei Schwerter und zwei Bögen. Sie wollten also bald aufbrechen und fliehen. Wo ist dann nur das Mädchen? „Du, da oben, komm mit deiner Schwester herunter und setzt euch an den Tisch“, bellte er die Treppe hinauf. „Und ihr zwei setzt euch auch dazu“, sagte er auf den Mann und die Frau deutend.
Kurz darauf kam der nach oben geschickte Krieger wieder die Treppe hinunter und schüttelte verneinend mit dem Kopf. Maél wandte sich dem Familienvater zu. „Ihr seid Albin, nicht wahr?“ Der Mann nickte und hielt die Hand seiner Frau in seiner. „Gut. Wir suchen Eure...“ Maél, der sich vor den Tisch aufgebaut hatte, kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, da Jadora aus dem Zimmer von nebenan mit etwas in der Hand herumwedelnd herausgestürzt kam. Nachdem Albin und seine Frau ihre Position vor der Tür verlassen hatten, war er in das Zimmer eingetreten, um nachzusehen, ob sich das Mädchen vielleicht dort versteckt hatte. „Das ist sie! Da bin ich mir ganz sicher! Und eine Schönheit ist sie auch!“ Die Frau des Jägers stöhnte auf. Jadora ging zu dem maskierten Krieger und reichte ihm das Bild von Elea, das Breanna erst kürzlich gezeichnet hatte. Maél wollte nur einen kurzen Blick darauf werfen und sich dann wieder der Befragung der Familie widmen. Doch dieser fiel länger aus, als er beabsichtigt hatte. Das Gesicht einer jungen Frau sah ihm entgegen. Zuallererst stachen ihm drei hellere Strähnen in ihrem mit Kohle gezeichneten, schwarzen Haar in die Augen. Sein Blick wanderte weiter zu ihren Augen hinunter, kurz zu ihrer kleinen Nase und ihrem kleinen Mund mit den vollen Lippen, um dann wieder zu ihren Augen zurückzukehren. Diese waren im Vergleich zu ihrer Nase und ihrem Mund fast schon viel zu groß. Außerdem mussten sie ungewöhnlich hell sein, da sie in einem noch helleren Grauton herausgearbeitet waren als die drei Strähnen. Ihre Augen gewannen zudem noch mehr an Faszination durch die langen, dichten Wimpern, die sie dunkel umrahmten. Ihre kräftigen Augenbrauen verliehen ihr etwas Wildes, Unbändiges, das in krassem Widerspruch zu ihrem sanften Lächeln stand und etwas ausdrückte, was Maél jedoch nicht erfassen konnte. Was in der Tat nicht zu leugnen war, sie war ausgesprochen schön - auf eine ganz außergewöhnliche, fremdartige Weise.
Maél wurde sich plötzlich der anhaltenden Stille um sich herum bewusst, sodass er sich von der Betrachtung des Porträts losriss und seine Aufmerksamkeit wieder auf Albin und seine
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