Elea: Die Träne des Drachen (Band 1) (German Edition)
zwischen ihm und ihrem einzigen Pfeil lag. Sie wartete und konzentrierte sich auf einen ruhigen Atemrhythmus, indem sie versuchte, alles um sich herum auszublenden: die Schmerzen, aber auch Maéls Hand, die immer noch glühend heiß auf ihrem Schenkel ruhte. Es zählten nur dieser widerliche, brutale Mann, der unaufhaltsam näher kam, und ihr sich immer wieder bei jedem Atemzug hebende Brustkorb, der nur darauf wartete eine untrennbare Einheit mit ihrem Bogen zu bilden.
Gerade erreichte der Wegelagerer den Punkt, an dem Eleas freie Schussbahn begann. Unglücklicherweise bewegte er sich jedoch in die Richtung rechts an ihr vorbei, sodass sie nicht direkt auf sein Herz zielen konnte. Wieder vergingen fünf quälend langsame Schritte, immer noch in dieselbe ungünstige Richtung. Sie konnte schon sein angespanntes Atmen hören. Maél drückte leicht ihren Schenkel. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr Versteck aufzugeben und darauf zu hoffen, dass er sich aufgrund des Überraschungseffekts kurz zu ihr drehen würde. Dieser Bruchteil eines Augenblicks musste genügen, um einen tödlichen Schuss abzugeben. Er war mittlerweile nur noch vielleicht zehn oder zwölf Schritte von ihr entfernt. Elea nahm ihren ganzen Mut zusammen und erhob sich blitzschnell. Der Mann erblickte sie unmittelbar darauf, drehte aber nur seinen Kopf in ihre Richtung, während er mit dem Körper in seiner Position verharrte. Himmel, hilf mir! Was nun? Ich darf den Pfeil erst abschießen, wenn ich mir sicher bin, dass er ihn tötet. Sie schaute ihm direkt in die eiskalt lächelnden Augen. Er bewegte sich immer noch nicht. Plötzlich hatte sie das unbestimmte Gefühl, dass er sich gleich auf den Boden stürzen würde. Er sah kurz auf eine Stelle vor sich auf der Erde. Doch sein Sprung kam einen Wimpernschlag zu spät. Elea hatte den Pfeil abgeschossen, noch bevor er den rettenden Hechtsprung machen konnte. Sobald dieser in ihn eingedrungen war, ließ sie ihre Arme sinken, die sofort zu zittern begannen. Der Mann stand in seiner Bewegung wie erstarrt da und blickte Elea mit weit aufgerissenen Augen ins Gesicht. Sein Atem kam röchelnd. Maél konnte aus seiner Position nur Geräusche wahrnehmen. Deshalb rüttelte er an Eleas Fuß und sprach zu ihr mit heiserer Stimme. „Du hast ihm in den Hals geschossen. Was macht er? Hier, nimm das Schwert! Er hat vielleicht immer noch Kraft genug, zu uns zu kommen und sich auf dich zu stürzen.“ Elea war jedoch nicht zu der geringsten Bewegung im Stande. Sie schaute ihrem zweiten Entführer immer noch wie hypnotisiert in die Augen. Maél, der inzwischen zu schwach war, um seinen Oberkörper aufzurichten, wurde unruhig und bedrängte sie. „Elea, los mach schon und nimm endlich das verfluchte Schwert!“ Mit einem Mal setzte sich der Mann mit wutverzerrtem Gesicht langsam in Bewegung, direkt auf die junge Frau zu. Als er vielleicht nur noch acht Schritte von ihr entfernt war, zog er unvermittelt mit einem lauten Schrei den Pfeil aus seinem Hals. „Dem Himmel sei Dank!“, gab Elea seufzend von sich. Der Mann konnte keinen Schritt mehr weiter gehen. Elea hatte es fertig gebracht, so in seinen Hals zu schießen, dass die Pfeilspitze auf der anderen Seite des Halses ausgetreten war. Nun schoss das Blut in hohen Bögen aus zwei Öffnungen heraus. Seine Knie knickten ihm weg und er stürzte beide Hände auf den Hals drückend zu Boden. Doch es war bereits zu spät. Es dauerte nur noch ein paar Augenblicke, dann waren die gurgelnden Atemgeräusche auch schon verebbt. Elea brach auf Maél zusammen und begann laut zu schluchzen. „Wieso hast du ihm in den Hals geschossen und nicht ins Herz? Daran wäre er gleich gestorben“, wollte er aufgebracht wissen. Er versäumte es jedoch nicht, sie in den Arm zu nehmen, um ihr tröstend den Rücken zu streicheln. „Es ging nicht anders. Er hatte seinen Oberkörper so zur Seite gedreht, dass es unmöglich gewesen wäre, sein Herz zu treffen. Die einzige Chance war, ihm in den Hals zu schießen. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass er noch fähig ist, so lange auf den Beinen zu stehen, geschweige denn, noch Schritte zu machen. Erst im letzten Moment hat er ihn herausgezogen, sodass er aus zwei Öffnungen Blut verlor,“ erklärte Elea unter Tränen. „Gut gemacht, Mädchen!“, lobte Maél sie mit schwacher Stimme. Elea stützte sich etwas vom Boden ab, um Maéls Stirn zu fühlen. „Ihr glüht. Was machen wir jetzt mit Euch? Euch geht es zusehends schlechter. Ich
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