Eleanor Rigby
Person, die zu benachrichtigen ist. Ihre Telefonnummer stand auch drauf. Deshalb haben wir Sie angerufen.«
Mit einem Mal wurde mir heiß und kalt, und mir dämmerte, wer Jeremy war. Dies war der Anruf, von dem ich nie zu träumen gewagt hatte.
»Ms. Dunn?«
»Entschuldigung...«
»Ms. Dunn, können Sie ...«
»Ich bin in einer halben Stunde da.«
Der Beamte sagte mir die Nummer des Zimmers und die der Station.
Ich. hatte mich immer gefragt, ob dieser Tag je kommen würde. Es schien mir, als erfülle sich eine Prophezeiung. Mein Kopf war leer, während ich mich mechanisch anzog, zum Wagen ging, den Marine Drive, die Fifteenth Street und die St. George's Avenue entlangfuhr, dann auf den Parkplatz einbog und durch die Automatiktür das Krankenhaus betrat - dann der Fahrstuhl, der Desinfektionsmittelgeruch, das abgehetzte Klinikpersonal.
Als ich die Schwester am Empfang fragte, auf welcher Station Jeremy lag, winkte sie einen Polizisten heran. Er sagte mir, sein Name sei Ray Chung. Er war ein netter Mann, der mir die Hand schüttelte und mich bat, ihm zu folgen. Und das tat ich, einen gelb beleuchteten Gang hinunter und um eine Ecke herum, wobei ich die meiste Zeit auf seine Füße starrte, die vor mir über den polierten Terrazzoboden marschierten. Durch einen Vorhang aus dünnem, zu oft gewaschenem blauem Stoff betraten wir ein abgedunkeltes Zimmer.
Eine Ärztin stand vor einer Jalousie. Sie war ganz offensichtlich in Eile, und ihren Kopf umgab ein Heiligenschein aus Dutzenden von Haarbüscheln, die sich schon vor Stunden aus ihrem Knoten gelöst hatten. »Ich heiße Valerie Tyson. Ich bin die diensthabende Ärztin. Ist dieser Mann hier mit Ihnen verwandt?«
Constable Chung deutete mit einem Nicken auf den Mann im Bett - ein gut aussehender Typ, Anfang zwanzig, kräftig, hellhäutig, dunkle, leicht gelockte Haare. Seine Kopfform war der meiner Eltern und Geschwister gerade ähnlich genug, um alle Zweifel daran auszuräumen, wer er war. Das ist er. Das ist also aus ihm geworden.
Ich ging zu ihm und berührte seine Hand. Das weckte ihn auf, und er fuhr zusammen: »Du bist es.« »Ja, ich bin's.«
Er setzte sich auf und schaute sich im Zimmer um. »Moment mal - hier ist irgendwas Merkwürdiges passiert.« »Was denn?«
»Ich glaube, ich war tot.«
Was redete er da? »Soweit ich sehen konnte, hast du nur geschlafen.«
»Nein. Ich war tot. Da bin ich ganz sicher.«
Ich schaute Dr. Tyson an, die sagte: »Genau genommen waren Sie tot, Jeremy, und zwar ungefähr eine Minute lang, als Sie heute Morgen eingeliefert wurden.« Sie sah mich an. »Ungefähr um fünf Uhr.«
Ich war überrascht. »Er war tot?«
»Wir haben ihn reanimiert.« Sie gestikulierte mit den Paddles eines imaginären Defibrillators herum.
Ich sah wieder Jeremy an. Er wirkte verstört. »Ich habe aber kein Licht gesehen - Sie wissen schon - das Licht, das man angeblich sieht, wenn man stirbt. Da war nur ein dunkler Fleck, in den ich hineingesogen wurde.«
Keiner von uns Anwesenden wusste, was er dazu sagen sollte, daher versuchte Dr. Tyson die Emotionen durch medizinische Nüchternheit zu beschwichtigen. »Wir haben Spuren von Kokain und Rohypnol in Ihrem Blut gefunden. Das könnte eine Erklärung sein, falls Sie etwas Ungewöhnliches gesehen haben.«
Jeremy wurde sauer. »Falls? Ich wurde in die Erde hinuntergezogen. Ich bin nicht in irgendein Licht aufgestiegen. Für mich gab es kein Licht.«
Ich nahm seine Hand, die eiskalt war. Das Armband ähnelte eher einer Hundemarke als einem Schmuckstück. »Jeremy, sieh mich an«, sagte ich. Es war das erste Mal, dass ich seinen Namen aussprach. »Seit wann trägst du dieses Armband schon?«
»Seit vier Jahren.«
»Vier Jahre?«
»Und ein paar Zerquetschte.«
»Und du hast mich nicht angerufen?«
»Nein, aber das darfst du nicht falsch verstehen. Ich hab dich nicht angerufen, weil du immer meine Hoffnung gewesen bist das As in meinem Ärmel.«
»Aber du kennst mich doch gar nicht. Wie kannst du so was sagen?«
»Ich weiß genug über dich.«
»Woher denn?« Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie sich dieses Gespräch für Dr. Tyson und Constable Chung anhören musste.
Jeremy sagte: »Ich hab ein bisschen Laufarbeit gemacht.« »Wie meinst du das?«
»Ich, nun ja, ich hab mich sozusagen an deine Fersen geheftet.«
»Wie bitte?«
»Nur die Ruhe — das ist nicht so schlimm, wie es klingt.« »Ist es doch.«
»Nein. Das siehst du falsch.« »Wie ist es denn richtig?«
»Richtig ist:
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