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Eleanor Rigby

Eleanor Rigby

Titel: Eleanor Rigby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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römisch essen gehen und ...« Für einen Moment Fehlten ihr die Worte. »... eine ernsthafte und gebildete junge Frau werden.«
    Von einer derart nüchternen Sicht Roms ließ selbst ich mir die Stimmung vermiesen. In Wirklichkeit wollte ich mir Statuen von nackten Menschen ansehen, weil es mir zu peinlich war, in gewissen Läden gewisse Magazine in die Hand zu nehmen, in dem Teil der Stadt, den ich nur nach dreimaligem Umsteigen mit dem Bus erreichen konnte. Doch ich war jedes Mal zu feige, blieb im vorderen Teil des Geschäfts und blätterte in den Strickkatalogen. Wieso die sich da überhaupt die Mühe machten, vorne Kataloge auszulegen, ist mir ein Rätsel. Die eigentliche Klientel — ausschließlich Männer, verschämte Toupetträger in Regenmänteln - lungerte stets im hinteren Teil des Geschäfts herum.
    Ich konnte es kaum glauben, dass ich nach Rom fahren würde — in eine Stadt, die sich eher mit Genitalien als mit Kunststoffassaden und Zementputz schmückt. Das musste ich mir unbedingt mit eigenen Augen anschauen. In den Wochen vor dem Start unserer Chartermaschine rechnete ich ständig damit, dass ein Summer ertönte und das Publikum im Fernsehstudio zu kreischen anfing, weil alles nur ein Scherz gewesen war.

~13~
    Jeremy und ich waren bis weit in die Nacht hinein allein im Krankenhauszimmer. Bis auf das unheilvolle Zischen seines Sauerstoffs, dem Quäken eines Lautsprechers auf einer anderen Station und dem einen oder anderen Motorrad, das auf der Straße unter uns Vollgas gab, war alles still. Jeremys Augen blieben geschlossen. Ich fragte mich, was er wohl sagen würde, wenn er sie öffnete - aber es stellte sich heraus, dass ich mir deswegen keine Gedanken zu machen brauchte. Um ungefähr drei Uhr morgens schlug er die Augen auf und sagte: »Ich werde nicht in den Himmel kommen.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach, doch ich antwortete: »Sei nicht albern. Natürlich wirst du das.«
    »Nein ... du verstehst nicht. Als sie mich hier wiederbelebt haben, war ich bereits auf dem Weg in die Hölle. Dann wurde ich wie von einem Bungeeseil zurück in dieses Gebäude gerissen.« Er drückte mein Handgelenk, als prüfe er meinen Puls. »Ich hab überhaupt keine Luft mehr gekriegt.«
    »Jeremy, du kommst nicht in die Hölle.« Smalltalk lag meinem Sohn offenbar nicht besonders, aber das war in Ordnung, denn mir geht es genauso. Ich sagte: »Du hast letzte Nacht einfach bloß ein paar sehr dumme Partydrogen genommen, und jetzt musst du dafür büßen. Das Zeug bringt die Leitungen in deinem Hirn zum Glühen, als wären es Starthilfekabel.«
    »Lass uns das Thema wechseln.«
    »Schon passiert.«
    Wir saßen da und kamen uns dämlich vor. Jeremy fragte: »Und, hast du während der letzten zwanzig Jahre insgeheim eine Rede vorbereitet, die du mir halten willst?« »Natürlich. Du auch?« »Ja.«
    Wieder schwiegen wir, diesmal zufriedener. Ich sagte: »Keiner von uns wird diese Rede halten, nicht wahr?«
    »Das wäre irgendwie beknackt.« »Allerdings.«
    »Jetzt geht's mir schon viel besser.«
    Ich fragte: »Wie hast du mich gefunden? Ich habe jahrelang vergeblich versucht, dich ausfindig zu machen. Die Behörden haben sich ziemlich unkooperativ angestellt.«
    »Tja, es ist erstaunlich, was man auf dieser Welt alles finden kann, wenn man bereit ist, mit gewissen Leuten ins Bett zu gehen.« Das sagte er, als gäbe er mir einen Haushaltstipp.
    »Da magst du Recht haben.« »Ich war ein guter Spion.«
    »Das kann man wohl sagen. Schließlich habe ich vier Jahre lang nicht gemerkt, dass du mir hinterher spionierst. Wann hast du das letzte Mal etwas zu dir genommen?«
    »Du meinst etwas Essbares?«
    »Nein, ich meine einen Trecker. Natürlich meine ich etwas Essbares.«
    »Ich habe mir gestern ein Stück Pizza für dreiundneunzig Cent gekauft. Mittags.« Der außergewöhnliche Preis war ein Werbegag, wenn man die Steuern draufschlug, kostete ein Stück einen Dollar.
    »Diese Dreiundneunzig-Cent-Pizzas sind ungefähr so gesund wie ein gebackenes Heftpflaster.«
    »Außerdem hab ich im Supermarkt an der Davie Street einen Laib Mozzarella geklaut.«
    »Was in aller Welt hat das damit zu tun?«
    »Alles. Solange der Käse noch vakuumverpackt ist, akzeptieren die Pizzerias ihn als Zahlungsmittel. Man bekommt dafür ein Stück Pizza und fünf Dollar.«
    »Du riskierst für fünf Dollar und ein Heftpflaster aus der Mikrowelle einen Eintrag ins Vorstrafenregister?«
    »So schlimm ist es nicht. Wenn man im Supermarkt

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