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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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einen fleischgierigen und frenetischen Charleston tanzten.
    Indem er das Lenkrad in die eine und in die andere Richtung bewegte wie ein Schiffsruder, entkam er den schlafenden Station-Waggon-Nilpferden, die die trägen Scheinwerferaugen vom Asphaltfluß hoben, mit geschwätzigen Vertretern bemannten Säugetieren, die die Provinz auf Safaris durchstreiften, bei denen sie statt auf Eingeborenendörfer auf Musikpavillons trafen, die unter Rostpsoriasis litten und um die herum alte Männer mit Spazierstock herrisch zwischen ihre Schafslederstiefel spuckten, und er reihte sich in die immer wieder unterbrochene Ameisenstraße des Verkehrs ein, der in der Ferne von einem Augenzwinkern der Ampel befehligt wurde, dem jede Sinnlichkeit fehlte. Das leuchtende Grün ähnelte der Iris meiner älteren Tochter, wenn sie voller Vergnügen
unter den zerzausten blonden Haaren lächelte, eine winzige Zauberin, die während der Fahrten mit dem Karussell voller überbordender Freude auf dem Hexenbesen eines hölzernen Pferdchens saß: Der Psychiater empfand sie dann als sehr viel älter, als sie tatsächlich war, und fühlte sich selber, wenn er an die Eisenbalustrade gelehnt dastand und melancholisch den Angestellten bezahlte, wie ein alter Herr, der in langen Unterhosen auf das nächste Ziel, den Prostatakrebs und die letzte Urinflasche, zustolperte, das armselige, finale Feuerwerk der anonymen Schicksale.
    Während der Motor seines Wagens dem stoßweisen Aufwallen von Verdauungsproblemen einer langen Reihe von Kühlerhauben entsprechend stotterte, suchte er in den barokkisierenden Architekturkleinoden an den Ecken, verkleinerten Hieronymusklöstern, die in ihrem Inneren Dynastien von Reservehauptleuten und verrückte Achtzigjährige beherbergten, die Praxis seines Zahnarztes: Er arbeitete Freitagnachmittag nicht und tat alles, um den langen, hohlen Tunnel der Wochenenden mit kleinen, nebensächlichen Tätigkeiten zu möblieren, so wie seine Tanten den bequemen Morgenzeitraum füllten, indem sie, mit Rosenkränzen, guten Worten und Fünf-Centavo-Stücken bewaffnet, diejenigen besuchten, die sie mit Besitzerstolz »unsere armen Leutchen« nannten, anpassungsfähige Kreaturen, die der beunruhigende schwarze Mann des Kommunismus noch nicht mit Zweifeln über die Tugend der Sãozinha überfallen hatte. Der Arzt hatte sie ein paarmal bei diesen finster-frommen Überfällen begleitet (»Geh nicht so nah an sie ran wegen der Krankheiten«), bewahrte immer noch die schmerzliche Erinnerung an den Geruch nach Hunger und Elend und an den Gelähmten, der im Schlamm zwischen
den Baracken herumkroch, die Hand zu den Tanten ausgestreckt, die ihm mit gezücktem Gebetbuch den Luxus der Ewigkeit garantierten, falls er, was eine entscheidende Voraussetzung war, strengstens darauf achtete, die Silbergegenstände unserer Familie nicht anzutasten.
    Auf dem Nachhauseweg wurde der Psychiater seinerseits im Glauben unterwiesen (»Du mußt beten, damit es keine Revolution gibt, mein Junge, denn diese Leutchen sind imstande, uns alle umzubringen«), wobei sie ihm erklärten, daß Gott, ein ausgesprochen konservatives Wesen, das Gleichgewicht der Institutionen sicherte und denjenigen, die keinen Dienstboten hatten, eine großartige galoppierende Schwindsucht schenkte, die ihnen den täglichen Ärger der Hausarbeit und die Hitzewallungen der Menopause ersparte, diese scharlachroten Wellen, die sie an die peinliche Tatsache erinnerten, unter den Rökken die wenn auch absterbenden Bedürfnisse eines Geschlechts zu besitzen. Und ihm fiel ein, daß seine Mutter, als er angefangen hatte zu onanieren, ihrem Mann beunruhigt einen Fleck in der Unterhose gezeigt hatte, woraufhin er förmlich dazu aufgefordert worden war, sich im Arbeitszimmer einzufinden, dem Hochaltar des Hauses, in dem der Vater mit einer Pfeife zwischen den Kiefern unaufhörlich in deutschen Büchern fremdartige Krankheiten studierte. Allein schon ins Arbeitszimmer gerufen zu werden kam in seiner Kindheit einem feierlichen und schrecklichen Akt gleich, und man trat, die Hände hinter dem Rücken, während sich die Zunge bereits in Entschuldigungen verhedderte, resigniert in diesen hehren Ort ein wie ein Kalb in den Schlachthof. Der Vater, der auf einem Brett schrieb, das er auf den Knien hielt, warf ihm einen strengen Seitenblick zu, der wie ein schwarzes Kleid war, bei dem
man die Unterrockspitze eines flüchtigen Verständnisses erkennen konnte, und sagte mit seiner schönen, tiefen Stimme, mit der

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