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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Die Oberschwester setzte sich in ihrem Kabinett des Dr. Mabuse das künstliche Gebiß wieder in die Gaumen ein, majestätisch wie Napoleon, als er sich selber die Krone aufsetzte: Die Backenzähne klapperten, als sie aufeinandertrafen, matt wie Plastikkastagnetten, als handelte es sich bei den Kiefergelenken um eine mechanische Schöpfung zur Erbauung von Gymnasiasten oder von Besuchern der Geisterbahn auf der Feira Popular, wo der Geruch nach gegrillten Sardinen sich subtil mit dem Kolikenjammern der Karussells verbindet. Ein blasses Morgengrauen schwebte ständig im Flur, und die von den ramponierten Deckenlampen erleuchteten Gestalten erhielten die Textur von gasförmigen Wirbeltieren des Rive-gauche-Gottes aus dem Katechismus, von dem er sich immer vorstellte, daß er aus der Strafkolonie der zehn Gebote ausbrach, um in den Nächten der Stadt die biblische Haarpracht eines ewigen Ginsberg ungehindert auszuführen. Ein paar alte Frauen, die die Maulkastagnetten Napoleons aus steinernen Lethargien geweckt hatten, schlurften aufs Geratewohl von Stuhl zu Stuhl
und wirkten dabei wie schlaftrunkene Vögel auf der Suche nach einem Busch, auf dem sie sich niederlassen konnten: Der Arzt versuchte vergebens, in ihren Runzeln, die ihn an das geheimnisvolle Netzwerk der Risse auf den Bildern von Vermeer erinnerten, Jugendzeiten mit gewachsten Schnurrbärten, Musikpavillons und Prozessionen zu lesen, die, was die Kultur betraf, von Gervásio Lobato, von den Ratschlägen der Beichtväter und von den Gelatinedramen des Dr. Júlio Dantas genährt wurden, der Fadosängerinnen und Kardinäle in gereimter Ehe vereinigte. Die Achtzigjährigen richteten farblose Glasaugen auf ihn, die leer waren wie Aquarien ohne Fische und in denen der zarte Algenflaum eines Gedankens mühsam im trüben Wasser nebliger Erinnerungen kondensierte. Die Oberschwester scheuchte, mit Ausverkaufsschneidezähnen blitzend, diese arthritische Herde mit beiden Händen in einen kleinen Raum, in dem der Fernseher in einem solidarischen Harakiri mit den wackligen, an den Wänden stehenden Stühlen und mit dem Radioapparat kaputtging, der zum Glück nur in seltenen Anwandlungen das lange phosphoreszierende Geheul eines in der Nacht eines Landgutes verlorenen Hundes anstimmte. Die Alten beruhigten sich allmählich wie Hühner, die der Brühe entgangen waren, in ihrem Stall, mümmelten eifrig wiederkäuend das Kaugummi ihrer Wangen unter einem frommen Öldruck, auf dem die Feuchtigkeit die Heiligenscheinkekse der Heiligen, dieser frühen Landstreicher eines himmlischen Katmandus, verschlungen hatte.
    Das Sprechzimmer bestand aus einem heruntergekommenen Schrank, der dem Dachboden eines enttäuschten Alteisenhändlers entrissen worden war, aus zwei oder drei wackligen Sesseln, deren Füllung aus den Rissen der Sitze wie Haare aus
einer Mütze hervorquoll, aus einer Krankenliege, die aus der Zeit der heroischen, schwindsüchtigen Epoche des Dr. Sousa Martins stammte, und aus einem einer riesigen, von einem zu großen Fötus gequälten wurmstichigen Wöchnerin gleichenden Schreibtisch, der in der Höhlung, die für die Beine gedacht war, einen riesigen Papierkorb beherbergte. Auf einem fleckigen Zierdeckchen war eine Papierrose in ihre Plastikvase gerammt wie eine ferne Flagge des Kapitän Scott ins Eis des Südpols. Eine Krankenschwester, die der Königin Dona Maria II. der Banknoten in einer Campo-de-Ourique-Version ähnelte, schob dem Psychiater eine am Vortag eingelieferte Frau am Ellenbogen entgegen, die er sich noch nicht angesehen hatte und die jetzt vor lauter Spritzen im Zickzack lief und deren Hemd den Körper umflatterte wie bei einem Geist von Charlotte Brontë, der im Dunkeln durch ein altes Haus schwebt. Der Arzt las »paranoide Schizophrenie, Selbstmordversuch« auf den Einlieferungspapieren, blätterte schnell die von der Notaufnahme verschriebenen Medikamente durch und suchte in der Schublade nach einem Block, während sich unvermittelt die Sonne fröhlich an die Fensterrahmen heftete. Unten im Hof, zwischen den Gebäuden der 1. bis 6. Männerstation, onanierte frenetisch, die Hose auf Kniehöhe, an einen Baum gelehnt ein Schwarzer, während ihm eine Gruppe Krankenpflegerhelfer feixend zuschaute. Ein Stück weiter, in der Nähe der 8. Station, öffneten zwei Typen in weißem Kittel die Kühlerhaube eines Toyota, um das Funktionieren seiner fernöstlichen Eingeweide zu überprüfen. Die gelben Gauner haben mit Krawatten aus dem Bauchladen angefangen,

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