Elefantengedaechtnis
majestätischen Verachtung des Gins:
– Du hältst jetzt mal den Rand, das hier ist ein Gespräch unter Männern.
Und zum Arzt vertraulich und brüderlich:
– Wir gehen hier weg und zur Cova da Onça, das Elend in Brüsten zu ertränken.
– Nutten, nörgelte der Freund beleidigt.
Die Zange des kräftigen Kerls preßte ihm den Ellenbogen zusammen, bis es krachte.
– Weniger als deine Mutter, du Scheißer.
Und, zu den leeren Tischen gewandt, autoritär:
– Wer in meiner Anwesenheit schlecht über Frauen redet, kann was erleben.
Sein Gesicht verzog sich in bedrohlicher Wut, suchte ein Ziel, auf das er losschießen konnte, doch abgesehen von dem in sein kompliziertes Spiel aus Kopfstößen und Betatschen vertieften Paar in der Ecke und den blaß brennenden Lampen waren keine weiteren Passagiere auf dem Floß, waren wir dazu verdammt, uns gegenseitig Gesellschaft zu leisten, wie in Afrika, dachte der Psychiater, hinter dem Stacheldraht: Am Ende der Mission spielte man King schon mit Haßnuancen in der Stimme, dem Kribbeln von Ohrfeigen in den Fingern, war der Zorn bereit, aus dem entsicherten Mund herauszuschießen. Warum erinnere ich mich bloß immer an die Hölle, fragte er sich: weil ich von dort noch nicht wieder weg bin oder weil ich sie durch eine andere Art der Qual ersetzt habe? Er trank die Hälfte des Biers aus wie jemand, der eine unangenehme Medizin nimmt, und zerriß die Telefonnummer des rotblonden Mädchens in möglichst kleine Fetzen; wahrscheinlich erzählte es gerade seinem Liebsten, wie es sich auf Kosten irgendeines Idioten im Wartezimmer des Zahnarztes amüsiert hatte: Er stellte sich das Gelächter der beiden vor, und mit diesem im Ohr trank er den Rest des Biers, bis nur ein Schaumsabber im Glas zurückblieb: Die Schnecke der vergorenen Gerste streckt die Hörnchen der Trunkenheit in die Sonne und hilft mir, im Wasser zu treiben, denn schwimmen kann ich nicht. Und er erinnerte sich an eine Geschichte, die in der Familie immer wieder erzählt wurde, in der es um ein mit der Großmutter befreundetes Ehepaar ging, die Fonsecas, und in der die kräftige Frau ihren kleinen Ehemann tyrannisierte:
Senhor Fonseca stieß einen schüchternen Laut aus, und sie schrie gleich los, Der Fonseca sagt nichts, weil er dumm ist, Senhor Fonseca wollte sich eine Zigarette anzünden, und sie krächzte, Der Fonseca raucht nicht, und so fort. Eines Nachmittags, als die Großmutter einem Kreis von Besuchern den Tee servierte, fragte sie, als sie bei Senhor Fonseca angelangt war, Grünen oder schwarzen, Senhor Fonseca? Senhor Fonsecas Frau, aufmerksam wie ein gallekranker Wachhund, knurrte sofort, Der Fonseca trinkt keinen Tee; und in der darauffolgenden Stille geschah etwas Unglaubliches: Senhor Fonseca, der bis dahin und während vierzig Jahren ehelicher Diktatur zahm, gehorsam und resigniert gewesen war, versetzte der Armlehne einen Faustschlag und tat mit der erloschenen Stimme aus dem Winterschlaf erwachter Testikel kund:
– Ich möchte grünen, und ich möchte schwarzen.
Jetzt ist der Augenblick gekommen, sagte sich der Arzt, zahlte die Flaschen und löste sich aus der Umarmung des Ruhigen, der mittlerweile die Phase des Umschlingens erreicht hatte, jetzt ist der Augenblick gekommen, aus den verdammten Eiern einen Strahl zu schießen, der sich sehen lassen kann.
Draußen wurde es dunkel: Vielleicht würde in dieser Nacht seine Frau in diese Bar kommen und die steinernen Bögen der Grünanlage nicht einmal sehen.
Wie üblich werde ich zu spät zur Analysesitzung kommen, dachte der Psychiater an einer roten Ampel, der er in diesem Augenblick die Verantwortung für alles Unglück der Welt übertrug, an erster Stelle selbstverständlich für sein eigenes. Er befand sich auf der Seitenspur der Avenida da República hinter einem Lastwagen und zitterte vor Ungeduld, während er den Verkehr betrachtete, der vom Campo Pequeno, dieser unförmigen Backsteinmoschee, der Hörnerkathedrale, quer zu ihm verlief. Zwei wirklich hübsche Mädchen gingen, miteinander ins Gespräch vertieft, am Wagen vorbei, und der Arzt verfolgte die Bewegungen ihrer Schulterblätter und der Schenkel beim Gehen, die vollkommene Harmonie eines fliegenden Vogels, der Gesten, die Art, wie eine von ihnen sich das Haar aus dem Gesicht strich: Als ich jünger war, erinnerte er sich, war ich sicher, daß sich niemals eine Frau für mich interessieren würde, für mein breites Kinn, meine Magerkeit; ich strandete immer vor stotternder
Weitere Kostenlose Bücher