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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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respektvoll über irgendeinen Witz des Tischchefs lachte.
    Eigenartig, wie die Witze der Vorgesetzten immer Humor besitzen, stellte der Arzt fest, indem er den überraschten Satz eines seiner Brüder wiederholte, den Speichelleckerei wie ein unverständliches Phänomen verblüffte: Der Croupier beugte sich zum Werfer, der ihm den Witz des Chefs wiederholte, der ernst mit einem feierlichen Lächeln nickte, während er die Hemdkragenspitzen zurechtrückte:
    – Ist doch so, Meireles, oder etwa nicht?
    Meireles, der einem Buckligen Jetons eintauschte, hob, ohne von der Arbeit aufzusehen, die Augenbrauen mit dieser verstehenden Grimasse, mit der die Tanten des Psychiaters, während sie die Maschen der Strickarbeit zählten, auf die Fragen der Neffen antworteten. Kann es sein, daß ich erwachsen geworden bin, daß ich wirklich erwachsen geworden bin, fragte sich der Psychiater, während er mit dem Knie den Druck der Hüfte der Frau mit dem Plastikleoparden beantwortete, die ihn von der Seite mit langsamem, wissendem Blick ansah, bin ich wirklich erwachsen geworden, oder bin ich immer noch der kleine Junge, der zwischen riesigen Erwachsenen hockt, die mich anklagen, mich schweigend voll entsetzlicher Feindseligkeit anstarren oder hinter zwei Fingern ihr resigniertes Mißfallen hüsteln? Gebt mir Zeit, bat er diesen Kreis von Osterinselgötzen, die ihn mit einer grausam enttäuschten Liebe verfolgten, gebt mir Zeit, und ich werde genau so sein, wie ihr es wollt, ehrlich, bescheiden, konsequent, erwachsen, hilfsbereit, sympathisch, ausgestopft, ein Stück weit ehrgeizig, auf finstere Weise fröhlich, düster, nicht mehr naiv und definitiv tot, gebt mir Zeit, give me time – Zeit, wiederholte der Arzt, ich brauche unbedingt Zeit, um mich mit Mut zu bekleiden, alle meine Gestern in das Fotoalbum zu kleben (»Who’d think to find you in a photograph, perfectly quiet in the arrested chaff«), die Züge meines Gesichts zu ordnen, die Position der Nase im Spiegel nachzuprüfenund mit der festen Entschlossenheit eines Siegers dem beginnenden Tag entgegenzuschreiten. Zeit, um am Ausgang des Ministeriums auf dich zu warten, mit dir die Treppe hinaufzugehen, den Schlüssel ins Schloß zu stecken, dich umarmend, ohne das Licht anzuschalten, zum Bett zu stolpern, das vage von den phosphoreszierenden Zeigern des elektrischen Wekkers beleuchtet ist, verwirrt von dem Zuviel an Kleidern und den Schluchzern der Zärtlichkeit, das Braille der Leidenschaft neu zu erlernen. Die dicke Frau legte ihm die ellenlangen dunkelroten Fingernägel auf den Arm: Ihr Handgelenk, das haargenau dem einer vertrockneten Eidechse glich, war mit einem Armband aus Doublé-Filigran geschmückt, mit einem riesigen Medaillon Unserer Heiligen Jungfrau von Fátima daran, die gegen ein Amulett aus Elfenbein klimperte, und der Psychiater fühlte sich bereit, von einem Reptil aus dem Tertiär verschlungen zu werden, an dessen Kiefern das Blut des Lippenstifts deutlich monströse Mörderabsichten enthüllte. Die Augen des Dinosauriers fixierten ihn mit der falschen Intensität von Wimperntusche unter Augenbrauen, die bis auf die Breite einer Zirkelkurve gezupft waren, und ihre Brust hob und senkte sich im Kiemenrhythmus, was ihre vielen Ketten wie vor Anker liegende Schiffe schaukeln ließ.

    Only give me time,
time to recall them
before I shall speak out.
give me time,
time.
When I was a boy
I kept a book
to which, from time
to time,
I added pressed flowers
until, after a time,
I had a good collection.
     
    But the sea
which no one tends
is also a garden
when the sun strikes it
and the waves
are wakened.
     
    I have seen it
and so have you
when it puts all flowers
to shame.

    Die Finger kletterten spinnengleich am Ärmel des Arztes hoch, zwickten leicht seinen Daumen, während ihr Schenkel seinen ganz absorbierte und ein angespitzter Absatz seinen Fuß drückte, ihm mit einer boshaften Liebkosung die Ferse abriß. Der links sitzende Bucklige lutschte laut an Halstabletten und verbreitete in der Luft das Aroma von Inhalationen für Asthmatiker: Wenn ich die Augen eine Sekunde lang zukneifen würde, könnte ich mich mühelos im Zimmer von Marcel
Proust wähnen, der sich hinter dem Stapel der Hefte der Manuskripte von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit versteckt : C’est trop bête, sagte er immer über das, was er schrieb, je ne peux pas continuer, c’est trop bête. Lieber Onkel Proust: die Tapete, der Kamin, das Eisenbett, dein schwieriger,

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