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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Proteste klemmender Schubladen knarzten, von Hotels wie in Filmen von Visconti, in denen Figuren von Hitchcock wohnten, und von einarmigen, selbsternannten Wächtern für geparkte Wagen, deren Hungeraugen unter den Mützenschirmen verborgen waren wie gierige, im gerunzelten Netz der Augenbrauen gefangene Vögel, ähnelte das Gebäude des Casinos einem großen, häßlichen, zwischen Villen und Bäumen gekenterten Passagierdampfer, an den die Wellen der Musik der Wonder-Bar schlugen und die Schreie der heiseren Croupiersmöwen und die riesige Stille der Meeresnacht, um die herum ein dichter Geruch nach Kölnischwasser und Pudelinnenmenstruation aufstieg. Die Züge, die von der Station am Tamariz nach Lissabon abfuhren, trugen auf ihren leeren Bänken die Verse dieses Dylan Thomas davon, den du so sehr liebtest:
    In the final direction of the elementary town I advance for as long as forever is.
    Und der Arzt stellte sich vor, wie er in einem leeren Waggon einnickte, auf der anderen Seite der Scheibe durch Häuser, Mauerstücke und Lichter von Schiffen verdoppelt, im Rhythmus der Worte des Dichters, den seine Frau mit ins Bett nahm
und mit dem sie einen schweigenden, vollkommenen Dialog führte, der ihn ausschloß:
    But for the lovers, their arms
Round the griefs of the ages,
Who pay no praise or wages
Nor heed my craft or art.
    Dylan Thomas war der Kerl, auf den ich bis heute am eifersüchtigsten war, dachte der Psychiater, als er seinen Wagen im beschützenden Schatten eines Touristenbusses zurückließ, dessen Fahrer einen hingerissenen Taxichauffeur über die intimen Verdienste von Französinnen in einem gewissen Alter aufklärte, die es schafften, den Koitus gewichtslos und leicht verdaulich zu machen wie ein Spargelsoufflé. Verzweifelt haßte ich Dylan Thomas und die tumultuös überzeugenden Gedichte, mit denen dieser dicke, rotblonde Trinker mit dir in innere Länder reiste, zu denen ich keinen Zugang hatte und die nahe bei den Träumen lagen, von denen mich matte Echos durch die vereinzelten Worte erreichten, die du in der Ekstase einer schiffbrüchigen Nixe kautest. Ich haßte Dylan Thomas, ohne es zu wissen, sagte der Arzt, während er über das feuchte Gras der Nacht auf das Deck des Casinos und seine als majestätische Lakaien maskierte Mannschaft zuging, die mit langsamen Vestalinnengesten Aschenbecher austauschten, ich haßte diesen verstorbenen Rivalen, der aus dem Nebel der Insel des Nordens mit dem Lächeln eines nachdenklichen Korsaren auf den unschuldigen Wangen gekommen war, diesen gälischen Gauner, der die dicken Deiche der Sprache mit Windhosen brach, die voller Glocken und Mähnen waren, dieser Liebhaber
aus Gischt, dieses Sommersprossengespenst, diesen Mann, der in einer Whiskyflasche wohnte wie Sammlerschiffe, mit schmerzlicher, aufsässiger Phönixanmut in seiner Alkoholflamme brannte. Caitlin, sagte der Psychiater und wechselte mit dem Portier ein kabbalistisches, vages Chirico-Lächeln, Caitlin, aus New York rufe ich dich under the milk wood in diesem November 1953, in dem ich gestorben bin, während eine Insel in der Landschaft des von der gefräßigen Wut der Albatrosse umringten Kopfes verblaßt, Caitlin, demnächst werde ich zum Tamariz hinuntergehen und einen stromgetriebenen Zug nach Wales nehmen, wo du mich vor einem Tee erwartest, der so traurig ist wie die Farbe deiner Augen, wo du in einem Zimmer sitzt, in dem sich nichts verändert hat, und dich der dicke Rauch eines Pubs beständig von der Eile meiner Küsse trennt. Caitlin, dieses angstvolle Leuchtturmsmuhen ist mein Schrei eines sehnsüchtigen Stiers, der dich sucht, dieses modulierte Pfeifen einer Lokomotive das Liebeslied, zu dem ich fähig bin, dieses Grummeln der Eingeweide ein gerührtes Aufbäumen von Zärtlichkeit, diese Schritte auf der Treppe mein Herz, das auf dich zugeht: Laß uns an den Anfang zurückkehren, das Leben ins reine schreiben, neu beginnen, abends Rommé spielen, Schattenmorellenlikör trinken, den Mülleimer unter Hanswurstgelärme, Nachbarn und Katzen erschreckend, nach draußen bringen, eine Dose Kaviar öffnen und langsam die kleinen Bleikügelchen essen, bis wir, zu Geschossen heimlicher Jäger geworden, das Feuerwerk einer finalen Explosion füreinander losschießen, und das, Caitlin, wird ein wenig unsere Art sein, aufzubrechen.
    Im Vorhof des Casinos blubberte eine Reisegruppe von Engländerinnen, die soeben aus einem Bus gestiegen waren,
der so prächtig war wie das Wohnzimmer von Clark

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