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Elefantengedaechtnis

Elefantengedaechtnis

Titel: Elefantengedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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mutiger Tod: Tatsächlich aber befand ich mich an einem Spieltisch im Casino, und die Einsamkeit zerfraß mich von innen wie eine schmerzhafte Säure: Der Gedanke an die leere Wohnung erschreckte mich, die Lösung, wieder auf dem Balkon zu schlafen, ließ mich vor vorweggenommener Hexenschüsse jammern. Die Seele in Panik, warf ich den letzten Jeton auf Big: Wenn ich gewinne, fahre ich sofort nach Monte Estoril, schlüpfe zwischen die Bettücher, onaniere und denke dabei an dich, bis der Schlaf kommt (ein relativ erfolgreiches Rezept); wenn ich verliere, lade ich diese alte Boa zu einer bescheidenen Orgie ein, die zu ihrer Plastikjacke und meinen abgewetzten Jeans und zum beschwerlichen Monatsende paßt: Ich wußte wirklich nicht, welche von beiden Katastrophen ich wählen sollte, schwankte mit gleichem Schrecken zwischen Einsamkeit und Schlange. Eine üppige Spanierin streifte ihn mit dem herrlichen Hintern, dem für glücklichere Köpfe bestickten Kissen: Die Zeit der mageren Kühe würde zweifellos sein ewiges Schicksal sein, und er fügte sich mit Rinderresignation darein: Eine Parkbank wartete irgendwo auf sein melancholisch untätiges Alter, und es konnte durchaus sein, daß ihm sein jüngster Bruder mittwochs in seiner Wohnung ein Abendessen geben, zum Braten Ratschläge und Tadel servieren würde.
    – Mutter hat immer gesagt, du würdest nie zur Vernunft kommen.
    Und wahrscheinlich würde er weder jemals zur Vernunft
kommen noch (was noch schwerwiegender war) jemals die Art von Glückseligkeit erreichen, die das Fehlen derselben mit sich bringt, dieses merkwürdigen Ballasts, ohne den man zu den angenehmen Gipfeln einer vergnügten Verrücktheit fliegt, ohne Ärger, ohne Sorgen, ohne Pläne, den Launen einer als Seelenzustand, als Berufung oder Schicksal gelebten Jugend folgend.
    – Mutter hat immer gesagt.
    Mutter hat immer alles gesagt. Und mir schien der Tischchef allmählich ihre prophetische Art, die verletzten Augen, die gerunzelte Stirn, die brennende Zigarette zu übernehmen, die am Ende des Arms Ellipsen des Verzichts kräuselte:
    – Was kann man von diesem Jungen schon erwarten?
    Nichts, bestätigte er laut mit einer Wut, die den Buckligen genau in dem Augenblick aufschrecken ließ, in dem der Werfer den Würfelbecher abstellte, das Kinn hob, um sich blickte, die Fliege am Hals strammzog und erklärte:
    – Small
    und damit, ohne es zu wissen, ein endgültiges Urteil verkündete.

– Und Sie sind wirklich Arzt? fragte ihn das Reptil und schaute dabei mißtrauisch auf seine abgewetzten Jeans, den abgetragenen Pullover und die nachlässig wirren Haare. Sie saßen beide im kleinen Auto des Psychiaters (»Ich weiß nicht, ob ich da reinpasse«), neben dem eindrucksvollen Touristenbus, der seine Ladung alter Amerikanerinnen im Abendkleid zurückbekam, die ihre Brillen an Silberketten um den Hals gehängt hatten wie Babyschnuller und von rotgesichtigen Kerlen begleitet waren, die aussahen wie Hemingway auf seinen letzten Fotos.
    – Ich bin normalerweise nicht mißtrauisch, aber man kann ja nie wissen, fügte sie hinzu, während sie mit Polizeiblick den Dienstausweis studierte, den er ihr hinstreckte, und ich bin für meinen Teil schon genug reingelegt worden. Man glaubt und glaubt, und plötzlich: Gib mal die Handtasche rüber, meine Hübsche, und zack steht man auf der Straße und guckt in den Mond. Entschuldigen Sie, das betrifft nicht Sie, der Gerechte zahlt für den Sünder, sagen die Priester doch immer, und man kann nie vorsichtig genug sein. Ich habe einen Cousin von der Seite meines Vaters, der ist Krankenpfleger im São José, auf Station eins, Carregosa, kennen Sie den? Klein, kräftig, glatzköpfig, stottert etwas und ist verrückt, was den Atlético betrifft? Er trägt das Abzeichen auf dem Kittel, er hat bei den Junioren gespielt, seine Frau ist gelähmt, er sagt ständig, verdammte
Kiste, verdammte Kiste? Sie müssen mich schon entschuldigen, aber der Mendes hat immer gesagt: Dóri (ich heiße Dóri), paß bloß mit Fremden auf, Vorsicht ist besser als Nachsicht, das habe ich auch von einer Frau gehört, die sich im Krebsinstitut die Brüste hat wegnehmen lassen, früher hat sie Laufmaschen aufgenommen, jetzt bekommt sie Infusionsballons, der geht es fast so schlecht wie dem Mendes, dem Armen, der mußte nach der Revolution nach Brasilien auswandern, war nichts zu machen, er hat mir einen lieben Brief zurückgelassen, in dem er mir verspricht, mich nachzuholen, und daß er nie jemanden

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