Elegie - Herr der Dunkelheit
Stimme erhob sich, leidenschaftslos und grau. »Und hier schließen sie ihren Bund?«
»Ja.« Seine Handrücken prickelten. Mit einiger Mühe zwang Tanaros sich dazu, den Blick von Sorasch, der Graufrau der Wehre, zu erwidern, die eine Klaue auf das Herz des Tals von Lindanen gelegt hatte. »Hier werdet Ihr zuschlagen, wenn Ihr dazu bereit seid.«
Die Graufrau bedachte ihn mit einem entsetzlichen Lächeln. »Ich bin dazu bereit.«
Ihr Alter war unmöglich zu schätzen. Die Wehre setzten seltsame Zauber ein, die ihnen Oronin der Letztgeborene vermittelt hatte, um
die Fessel des Seins zu strecken, zumindest was die Graufrau betraf. Tanaros wusste nur, dass sie uralt war. Uschahin Traumspinner war ein Kind gewesen, als Faranol, der Kronprinz von Altoria, bei jenem Jagdausflug ihre Jungen und ihren Gefährten erschlagen und damit seinem Geschlecht während eines Staatsbesuchs in Pelmar viel Ehre eingebracht hatte.
»Ihr seid mutig, ehrbare Graufrau«, sagte Tanaros.
Die uralte Wehrfrau schüttelte den Kopf. »Meine Nachfolgerin wurde bereits erwählt.«
Grau war ihre Stimme, grau ihr Name, grau ihr Wesen. Ein Jahr seines Lebens gab jeder der Wehre dafür, dass die Graufrau nicht abgerufen wurde. So war es ganz zu Anfang einmal gewesen; jetzt waren es mehrere Jahre, denn die Zahl der Wehre war geschwunden. Fünf, zehn oder mehr. Tanaros wusste nicht, wie die dazugehörige Zeremonie aussehen mochte und wie sie durchgeführt wurde. Er wusste nur, dass die Graufrau die Jahre überdauerte, bis der Mantel weitergegeben wurde und die Nächste den Jahren trotzte.
Es war viele Jahrhunderte her, dass dies zum letzten Mal geschehen war.
»Du weißt, dass du sterben wirst, alte Mutter?«
Uschahins Stimme, rau und schmerzerfüllt. Es war nicht das erste Mal, dass er diese Frage stellte.
»Kleines Menschenjunges, kleiner Sohn.« Der Bernsteinblick der alten Wehrfrau wurde weich, und sie strich mit ihrer haarigen Handfläche über seine missgestaltete Wange. »Du hast meinen Schmerz so viele Jahre gestillt, aber die Zeit ist gekommen, ihm ein Ende zu bereiten. Es ist eine gute Art zu sterben. Wenn der Frohe Jäger es will, dann werden meine Zähne noch ins Fleisch eines Altorus dringen, bevor es vorbei ist.«
Er neigte den Kopf. Die Wehrbrüder knurrten leise.
Tanaros räusperte sich. »Dann werdet Ihr an dieser Stelle angreifen, Ehrenvolle, und Eure Brüder werden den Weg frei halten. In dem darauf folgenden Durcheinander werden wir zuschlagen, hier.« Er fuhr mit dem Finger über einen Gang auf der Karte. »Unter meinem Befehl wird eine Einheit von Fürst Vorax’ Männern Cerelinde
von den Riverlorn ergreifen und sie zum Treffpunkt bringen, wo die Übergabe stattfindet. Von dort werden sie als Köder nach Osten fliehen. Fürst Uschahin, du solltest dann alle Trugbilder weben, die dir einfallen. Die übrigen Männer und ich werden sie so lange aufhalten, wie es möglich ist, bevor wir uns in die Tunnel zurückziehen und die Kaldjager-Fjel unseren Eingang verbergen.«
Das war der erste Abschnitt des Plans, in all seiner riskanten Gänze.
»Heerführer.« Hyrgolfs listige Augen sahen ihn mit soldatischer Offenheit an. »Die Fjel sind bereit zu dienen. Es wäre aber besser, wenn Ihr den Überfall nicht selbst leiten würdet.«
»Es geht nicht anders«, sagte Tanaros knapp. »Es ist der Wille des Fürsten, und für Fehler ist kein Platz. Hyrgolf, ich würde dir den Befehl übergeben, und ich würde jedem anderen Anführer vertrauen, den du ernennst. Aber wenn wir die Ellylon und die Altorianer davon überzeugen wollen, dass dieser Überfall von Beschtanag ausgeht, dann darf es keinerlei Hinweise darauf geben, dass Fjeltrolle daran beteiligt sind.«
»Vetter, ich könnte meine Truppe selbst befehligen …«, begann Vorax.
Uschahin unterbrach ihn mit heller, bitterer Stimme. »Das kannst du nicht, Dicker. Deinen Umfang könnten wir unter einer pelmaranischen Rüstung nicht verbergen, während wir deine sorgsam glatt rasierten Stakkianer, wie Tanaros auch, überzeugend verkleiden können.« Mit verzerrtem Lächeln hob er seine verkrüppelten Hände, die nichts Schwereres als einen Dolch festhalten konnten. »Ich würde es selbst tun, wenn ich könnte. Aber ich fürchte, meine Talente sind hierbei nicht von Nutzen.«
»Genug!«, sagte Tanaros laut. »Es ist an mir, es zu tun.« Einen Augenblick dachte er, dass es darüber Streit geben würde, aber dann beruhigten sich die Gemüter, und alle fügten sich seinem Befehl. Er
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