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Elegie - Herr der Dunkelheit

Elegie - Herr der Dunkelheit

Titel: Elegie - Herr der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Carey
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zu.
    Aber der Drache seufzte nur. »Dann lassss sie kommen, Königsmörder«, sagte er. »Du sprichssst die Wahrheit. Wenn ich auch deine Sache nicht unterstützen will, so werde ich ihr doch nicht im Wege stehen. Leg deine falsche Fährte. Lassss sie kommen, und mach uns zum Ambosssss, auf den dein Hammer schlagen mag. Bist du damit zufrieden?«
    »Edler Calandor«, sagte Tanaros, »ich bin Euch dankbar. Mein Herr ist Euch dankbar.«
    »Ja«, sagte der Drache. »Und nun geh.«

FÜNF
    D er alte Mann saß in der Hocke und sah zu den Sternen hinauf. Selbst in den frühen Morgenstunden hielt der Fels genug gespeicherte Sonnenwärme, dass er sie an seinen Hinterbacken spürte; die nackten Sohlen seiner Füße waren schwielig und gegen Hitze oder Kälte immun. Er sah den Sternen zu, wie sie langsam über den nächtlichen Himmel zogen, dachte an die Geschichten, die seine Ahnen nach einem ähnlich unbeirrbaren Muster von einer Generation an die nächste weitergegeben hatten. Er hatte den Geruch von Wasser in der Nase, eisenhaltig und schwer. Etwas rührte sich in dem stachligen Dornengebüsch. Es hätte eine Springmaus oder eine Eidechse auf Beutejagd sein können, aber es war etwas anderes. Er war einer der Ältesten der Yarru-yami, und er kannte jedes Geräusch in der Unbekannten Wüste.
    »Kannst du mich nicht in Frieden lassen, Alte?«, brummte der alte Mann.
    »Frieden!« Sie erschien aus der Nacht und pflanzte sich vor seinem Felsen auf, die Arme über den verschrumpelten Brüsten verschränkt, das lange, grauweiße Haar vom Sternenlicht erhellt. »Du würdest die ganze Nacht auf diesem Felsen hocken, Alter, Gamal kauen und in die Sterne gucken. Das nennst du Frieden?«
    Auch jetzt, nach all den Jahren, war sie noch immer genauso hitzig wie an dem Tag, als er sie kennengelernt hatte. Er lächelte in seinen Bart. »Das tue ich, Alte. Wenn du mich schon nicht allein lassen kannst, dann leiste mir Gesellschaft.«
    Mit einem verächtlichen Schnauben kletterte sie auf den Felsen und ließ sich an seiner Seite nieder, sie stöhnte ein wenig, als ihre Hüftgelenke knackten und knirschten. Er rutschte zur Seite, um ihr
Platz zu machen, griff in den abgewetzten Beutel an seiner Seite und reichte ihr ein Stück Gamal. Ihre Kiefer mahlten, glätteten die trockenen Fasern und arbeiteten den Speichel in sie hinein. Sie war dreiundachtzig Jahre alt und hatte noch immer starke Zähne, die das Gamal in eine feuchte Kugel verwandelten, die sie sich in die Höhlung ihrer Wange schob.
    So saßen sie nebeneinander und betrachteten die Sterne.
    Vor allem jenen roten, der tief über dem westlichen Horizont stand.
    Als sie sprach, war ihre Stimme ernst. »Die Zeit für die Entscheidung wird kommen, nicht wahr?«
    Er nickte. »Schon bald.«
    »Der arme Junge.« Sie schüttelte den Kopf. »Armer Junge! Es ist so ungerecht. Er ist gar nicht darauf vorbereitet, eine solche Entscheidung zu treffen. Wer wäre das auch?«
    Er zuckte die Achseln. »Das ändert nichts daran, dass die Zeit kommt.«
    Sie warf ihm einen bitteren Blick zu. »Und wie würdest du dich entscheiden, Alter?«
    »Ich?« Er drehte die Handflächen nach oben und betrachtete sie. Sie waren blasser als seine übrige Haut, aber ledrig, faltig und wie gegerbtes Fell. Das Alter hatte sie gezeichnet, die Abnutzung und die Spuren der Sterblichkeit. Sonst nichts. »Die Wahl ist nicht an mir.«
    »Ich weiß«, flüsterte sie. »Der arme Junge! Ich bete darum, dass er die richtige Wahl trifft.«
    Der alte Mann ging wieder in die Hocke und lauschte den Geräuschen der Wüste, während die Sterne langsam über ihn hinwegzogen. Er fühlte das langsame, stetige Schlagen seines Herzens, das seinem unvermeidlichen Stillstehen entgegenklopfte, er fühlte das Blut durch die Adern rauschen, wie das Wasser, das weit, weit unter ihnen durch die Erde floss. Im Herzen der Unbekannten Wüste gab es Wasser, Wasser aus dem tiefsten, dem ältesten Ort.
    Birru-Uru-Alat, der Nabel, der Brunnen der Welt.
    Er war von allen vergessen, außer von den Yarru, die Gründe hatten, sich an ihn zu erinnern. Vor langer Zeit hatte Haomanes Zorn sie unter
die Erde getrieben, wo sie Schutz gesucht und im Gegenzug eine verantwortungsvolle Aufgabe erhalten hatten. Die Alten hatten die Weisheit von Uru-Alat bewahrt. Als der Junge mit den gezeichneten Händen zur Welt kam, hatten sie es gewusst. Er war der Träger, einer, der das Wasser des Lebens tragen konnte, obwohl es schwerer wog als Steine oder Stahl, so schwer wie

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